Warten auf den Weihnachtsmann

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Johannes und sein großer Traum
Johannes ist 5 Jahre alt und besucht regelmäßig den Kindergarten, in welchem er immerzu mit seinen Freunden und Freundinnen spielt. Seit kurzem hat Johannes einen neuen Freund und zugleich Nachbarn gewonnen, nämlich Ali, der mitsamt seiner Familie hierhergekommen ist.
Die beiden verstehen sich super und entwickeln sich langsam aber sicher zu besten Freunden. Immerzu spielen sie sowohl im Kindergarten als auch in ihrer Freizeit zusammen.
In den Sommerferien zerstritten sie sich jedoch bitterböse, weil Johannes Alis Lieblingsspielzeug aus Versehen zerstörte - einen Spiezeugdino. Der Dino ist beim Toben im Sandkasten zerbrochen. Daraufhin versucht Johannes - der Dinos genauso liebt - Ali zu erklären, dass es doch keine Absicht war und er es gar nicht so wollte. Ali war aber sehr traurig über den Verlust seines Spielzeugs. Seine Familie hat nämlich nicht das Geld, ihm einen neuen Dino zu kaufen. Die beiden gingen sich fortan aus dem Weg und ignorierten sich. Beiden schien die Situation arg zuzusetzen.
Nun geht es bereits auf Weihnachten zu und sie reden immer noch kein Wort miteinander. Johannes, der große Dino-Liebhaber, wünscht sich nichts sehnlicher zu Heiligabend als den neuen Lego-Dino - mit allen Extras und Zubehör. Den möchte er schon so lange haben. Das gesamte Jahr redet Johannes schon von nichts- 3.jpg anderem.
Sodann kam der heilige Abend und Johannes fand ein großes Paket unter dem Weihnachtsbaum. Voller Freude und total aufgeregt zerriss Johannes das Geschenkpapier. Es war kein Traum. Der Lego-Dino, von welchem er schon so lange träumte, war nun wirklich da. Voller Emotionen wollte er schon fast die Packung aufmachen und loslegen. Doch blitzartig stoppte er und überlegte. Seine Eltern fragten ihn, was denn nur los sei. "Ich habe eine Idee!", rief Johannes. Er nahm voller Eifer den verpackten Lego-Dino unter die Arme, stürmte zur Terrassentür und lief zum Nachbarhaus. Dort stellte er den Dino vor die Haustür, klingelte und lief davon. Ali öffnete daraufhin die Tür, sah niemanden und fand den Lego-Dino. Er wunderte sich einen Augenblick und dann war ihm sofort klar, wo der Dino herkam. Er konnte seine Freude gar nicht fassen und erzählte sofort seinen Eltern, was geschehen war.
Johannes kam zu seinen Eltern zurück, die sich schon wunderten, was mit ihrem Kind los ist. Sie fragten ihn, was er getan habe. Johannes entgegnete: "Ich habe Weihnachten verstanden."
Verwundert schauten sich seine Eltern an, bis sie am nächsten Tag mit Alis Eltern sprachen und sich so die Situation aufklärte.
Joahnnes und Ali waren wieder die besten Freunde und nichts konnte sie von nun an trennen.
 
"Vier Kerzen - eine kleine Adventsgeschichte"
Johanna starrte auf den grünen Adventskranz. Den Kopf hatte sie in ihre - 1 Cover.jpgHände gestützt. Sie zählte nach: Eins, zwei, drei, vier… Vier dicke rote Kerzen steckten auf dem Kranz. Daneben lagen ein kleines Schaukelpferd aus Holz, eine Zimtstange, ein goldener Stern, getrocknete Apfel- und Orangenscheiben und ein Strohstern. Die erste Kerze war schon einmal angezündet worden, ihr Docht war schwarz und schrumpelig und das Wachs schon verformt. Johanna fummelte ein wenig daran herum als ihre Mutter mit einem Teller Adventsplätzchen und einer Kanne heißem Tee ins Wohnzimmer kam. “Au ja, Plätzchen und Dominosteine!”, freute sich Johanna und griff beherzt zu. Der warme Tee tat gut im Bauch und Adventsplätzchen waren einfach die leckersten Plätzchen im ganzen Jahr!
Nach einer Weile schaute Johanna wieder auf den Adventskranz. Ihre Mutter bemerkte Johannas Nachdenklichkeit. Und da sprudelte es auch schon aus ihr heraus: “Eine Kerze. Mama, warum zündest du nicht alle Kerzen an, es sind doch vier Kerzen auf dem Kranz. Und warum immer nur die Gleiche? Die anderen Kerzen sind bestimmt traurig, dass sie nicht angezündet werden! Und Mama, wann ist endlich Heilig Abend..?”
Johannas Mutter lächelte und nahm ihre kleine Tochter auf den Schoß. Sie erklärte ihr, was es mit dem Adventskranz auf sich hat, und dass man an jedem der vier Adventsonntage immer eine Kerze mehr anzündet. “Und wenn die vierte Kerze brennt, dann ist es auch nicht mehr weit bis zum Heiligen Abend…”.
Johanna schaute sich noch einmal die vier Kerzen an. Vier war eine Zahl, die man gut überschauen konnte. “Dann besteht ja doch noch Hoffnung, dass es bald Weihnachten wird”, dachte sie im Stillen.
Am darauf folgenden Sonntag entzündete ihre Mutter die zweite Kerze am Adventskranz. Nun leuchtete er schon etwas heller. An diesem Adventssonntag hatte Johanna keine Zeit, weiter über die vier Kerzen und Weihnachten nachzudenken. Am darauf folgenden Tag sollte der Nikolaus kommen. Johanna lief den ganzen Sonntag mit glühenden Wangen durch die Wohnung, räumte ihr Zimmer auf, übte das Nikolauslied und putzte mehrere Male über ihre Stiefel. Und dann hieß es wieder – warten.
Als sie sich über das lange Warten auf den Nikolaus, das Anzünden der nächsten Kerze am Adventskranz, das Öffnen des nächsten Türchens am Adventskalender – und vor allem auf Weihnachten – bei ihrer Mutter beschwerte, lächelte diese abermals und nahm Johanna wieder zu sich auf den Schoß. “Das ist die Adventszeit, mein Schatz. In der Adventszeit warten wir auf die Ankunft des Herrn, also Jesus Christus. Und diese Ankunft feiern wir an Weihnachten. Dann kommt auch das Christkind zu uns. Aber die Adventszeit gehört dazu, damit wir Weihnachten feiern können. Und deshalb müssen wir uns alle noch ein wenig gedulden.” Sie deutete auf den Adventskranz: “Aber schau, die Hälft hast du ja schon geschafft. Wenn alle vier Kerzen am Adventskranz brennen, dann ist bald Weihnachten!”
Johanna stellten die Worte ihrer Mutter nicht vollkommen zufrieden, aber sie dachte in den folgenden Tagen oft darüber nach. Und immer, wenn sie sich gerade wieder bei ihrer Mutter über die lange Warterei beschweren wollte, dachte sie über den Satz nach, den sie ihr gesagt hatte: “Die Adventszeit gehört dazu, damit wir Weihnachten feiern können.” Es half. Ein wenig jedenfalls. Und so freute sie sich über jede neue Kerze, die am Sonntag am Adventskranz entzündet wurde. Und bei jedem Adventsplätzchen-Essen mit ihrer Familie dachte sie daran, dass sie nun dem Heiligen Abend schon ein wenig näher gekommen war…
 
„Anna sucht das ‚richtige‘ Weihnachten“
An einem besonders nebeltrüben Dezembertag ist Anna heimlich mit dem Bus in die Stadt gefahren. Hell möchte sie es haben und einmal so richtig weihnachtlich möchte sie sich fühlen. Und dieses ‘richtige’ Weihnachten, glaubt Anna, gibt es nur in der Stadt. In dem kleinen Dorf, in dem sie lebt, kann sie es fast nicht sehen und schon gar nicht spüren.

In der Stadt sieht es bunt und weihnachtlich aus. Hell leuchten die Kerzen der Weihnachtsbäume, über die Straßen der Innenstadt sind Lichtketten gespannt. Sie glitzern und sehen aus wie fröhlich bunte kleine Weihnachtsmänner, Sterne und Engel. Und überall in den Schaufenstern schimmert es bunt und golden und silbern.- 2.jpg

Anna mag diesen Weihnachtsschmuck sehr. Langsam schlendert sie durch die Straßen. Vor jedem Schaufenster macht sie Halt. Überall ist es so schön hell und festlich. Das gefällt ihr. Es erinnert an Weihnachten und es macht das Dezemberdunkel hell.

Auch Anna fühlt sich hell nun und ihre Vorfreude auf Weihnachten wächst.
Doch sie scheint die einzige zu sein, der dieser Stadtbummel Spaß macht. Es ist aber auch viel los ringsum. Die Leute eilen mit Tüten und Taschen beladen von einem Geschäft zum anderen. Sie drängeln, schubsen, schimpfen. Autos hupen und warten auf eine Parklücke. Aus den Geschäften dröhnt laute Weihnachtsmusik: ´Stille Nacht´ und ´Leise rieselt der Schnee´.
Das gefällt Anna weniger. Sie schaut auf die Goldschokoladensterne, Weihnachtsmänner und Lebkuchenengel im Schaufenster einer Bäckerei und irgendwie sehen die auf einmal nicht mehr so bunt und leuchtend aus.

„Still und leise ist es hier nicht und fröhlich sind die Leute auch nicht. Eher übellaunig“, wundert sie sich. „Nein. Hier freut sich niemand und diese Musik passt auch nicht. Das ist nicht das Weihnachten, das ich suche.“

Anna denkt an Zuhause und die einsame Weihnachtstanne am Kirchplatz, die festlich den kleinen Platz mit ihrem Licht erhellt, und die Freude kribbelt auf einmal wohlig in ihrem Bauch. Sie lächelt, dann läuft sie schnell zur Bushaltestelle. Sie hat es eilig, in ihr stilles, weihnachtliches Dorf zurückzukehren.
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„Stille Nacht"
An die Weihnachtsabende in meiner Kindheit, denke ich immer wieder gerne zurück. Voller Herzlichkeit, voller Wärme, voller Liebe und Zuversicht, so habe ich Weihnachten in Erinnerung. Wir feierten Weihnachten immer mit meinen beiden Großmüttern gemeinsam und sie und meine Mutter erfüllten die gute Stube mit guter Laune, mit Lachen und Freude. Den Einzigen, den man am Heiligen Abend so gar nicht gebrauchen konnte, war mein Vater. Dabei hätte man meinen müssen, als Pfarrer hätte er eine besonders weihnachtliche Stimmung verbreiten müssen. Weihnachtliche Stimmung konnte er auch gut verbreiten, von November bis zum 24.12. um ca. 19.00 Uhr. Bei den Chorproben, in der das Weihnachtsoratorium eingeübt wurde. Bei dem Adventskaffeetrinken der Frauenhilfe. Bei der Adventsandacht im Seniorenheim. Bei dem Weihnachtsbasar im Krankenhaus. Bei den Proben der Krippenspielgruppe. Bei seinem Besuch des Kindergartens als Nikolaus. Bei den Proben für die Christmette des Posaunenchors. Bei den Besuchen des Adventsbastelns der Kreativgruppe. Und bei so mancher anderer Gelegenheit.
animiertes-weihnachtskugeln-christbaumkugeln-bild-0206.gifAm 24.12. lief er dann schon um 6 Uhr morgens wie ein aufgeschrecktes Huhn durch die Wohnung (und da denkt man immer, dass es die Kinder sind, die an Weihnachten aufgeregt sind). Er brabbelte etwas wie “Bei den ganzen Veranstaltungen bin ich mit meinen Gottesdienstvorbereitungen noch gar nicht fertig!” und verschwand für einige Stunden in seinem Arbeitszimmer. Wir Kinder sahen unseren Vater erst im Weihnachtsgottesdienst mit Krippenspiel um 15.00 Uhr wieder. Nach dem Gottesdienst gingen wir nach Hause und bereiteten uns auf die Bescherung vor. Unser Vater blieb noch in der Kirche und feierte noch 2-4 weitere Gottesdienste. Manchmal fand die Bescherung sogar ohne ihn statt. Das fand ich nicht schlimm, wenn mein Vater doch rechtzeitig kam, schaute er meist nur noch mit glasigen Augen auf den Tannenbaum und legte sich so bald wie möglich aufs Sofa. In den Jahren, in denen er nicht mit der Christmette dran war und dafür am späten Abend nochmal in die Kirche eilte, schloss er dann seine Augen und es dauerte gefühlte 3 Sekunden bis er einschlief. Mein Vater hatte dann am Heiligen Abend seiner erste “Stille Nacht” seit Ende November.
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"Weihnachten im Himmel"
"Jetzt wollen wir auch mal Weihnachten feiern!", sagen die Engel. "Ja, wir wollen das Christkind überraschen!", ruft der Engel Johannes. "Aber heimlich, das Christkind dar vorher nichts merken", sagt der Engel Simon. "Und wir feiern, wenn das Christkind von der Bescherung der Kinder zurückkommt", meint der Engel Jeremias. “Ja, ja!", flüstern die anderen, "aber leise jetzt!" Denn das Christkind kommt gerade vorbei. Es gibt ja so viel zu tun! Morgen ist Weihnachten. Einige Engel holen etwas aus der Himmelswerkstatt, andere etwas anderes aus der Himmelsbäckerei. Und der Engel Lukas bekommt den Auftrag, einen sehr großen Tannenzweig aus dem Wald mitzubringen, denn er wird das Christkind in diesem Jahr begleiten. - 3.jpg
Endlich ist es so weit. Der Weihnachtsabend ist gekommen. Das Christkind macht sich mit Lukas und Elias auf den Weg, die Kinder zu bescheren. Ja, auch der Engel Elias darf diesmal mit. Die Geschenke für die Kinder tragen die Elche Knut und Sven - viele, viele bunte Päckchen. Und welches Geschenk welches Kind bekommt, das hat das Christkind alles im Kopf, Gott sei Dank. Und als das Christkind mit seinen Helfern in den Himmel zurückkommt, da hat es dieses wunderbare Strahlen im Gesicht. Und die Engel Lukas und Elias auch, ja sogar die Elche Sven und Knut! Denn sie haben den Plätzchen- und den Tannenduft in den Häusern geschnuppert, haben die Augen der Kinder im Schein der Weihnachtskerzen leuchten gesehen, haben denerwartungsvoll klopfenden Kinderherzen gelauscht. Und mit diesem strahlenden Gesicht kommen sie ein bisschen erschöpft zurück.
Lukas hat den großen Tannenzweig nicht vergessen. Sogleich wird der Tannenzweig von den Engeln, die schon am großen Himmelstor gewartet heben, aufgestellt und mit Glitzerzeug behängt. Rote Schleifchen, die in der Himmelswerkstatt später einmal Puppenschleifchen werden, kommen in die Äste. Das Christkind staunt und wundert sich. Der große Engel Simon hat sich eine Hand voll Rot von Sonnenaufgang geholt und bläst daraus wunderschöne rote Kugeln. Die werden von den anderen Engeln auch an den Tannenzweig gehängt. Und für ganz oben, für die Spitze, haben sich die Engel den Stern von Bethlehem ausgeliehen, natürlich nicht für lange, aber jetzt leuchtet und funkelt der Stern an der Spitze des Tannenzweigs. Und wie! Und als die Engel „Frohe Weihnachten, liebes Christkind!“ rufen, da begreift das Christkind endlich und freut sich und alle Engel freuen sich mit. Es gibt sogar Plätzchen und Schokoladensterne aus der Himmelsbäckerei und Honigpunsch mit Zimt.
„Und jetzt kommet die Überraschung!“, sagt der Engel Jeremias, verschwindet hinter einer Wolke und kommt sogleich zurück. Aber nicht alleine. An der Hand führt er - ja, tatsächlich, an der Hand führt er die Heiligen Drei Könige! Da stehen sie nun, prächtig geschmückt, und lachen! Und das Christkind steht auch da und lacht! "Wir waren schon so gespannt, wie du jetzt aussiehst!", sagt Balthasar, "Als wir dich zum letzten Mal gesehen haben, da warst du noch ein winzig kleines Kind", meint Melchior.
"Ich hoffe doch, du erinnerst dich noch an uns", lächelt Kaspar. ,,Oh gewiss", ruft das Christkind, "Natürlich! Ist das eine herrliche Überraschung! An euch habe ich schon so oft gedacht! Wie schön, dass ihr mich besucht!" "Erzählt uns noch mal von damals, von der allerersten Weihnacht!", rufen die Engel. Das Christkind macht eine Handbewegung und alle Engel setzen sich im Kreis um das Christkind und die Heiligen Drei Könige herum und das Christkind fängt an zu erzählen ...
Und dann erzählen die Heiligen Drei Könige weiter und immer weiter; sie erzählen auch von ihren Ländern und von allem, was sie über die Erde da unten wissen. Mit ihren wunderschönen Geschichten bescheren sie das Christkind und die Engel, während unten auf der Erde die Kinder schon wieder mit roten, aufgeregten Backen in ihren Betten schlafen – mit einem oder zwei Geschenken im Arm.
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"Weihnachtsmusik im Streichelzoo"
„All die vielen Lichter auf einmal! Wie schön sie sind. Nur: Was sollen sie bedeuten?“
Andy, der kleine Esel im Streichelzoo schüttelte seine Mähne und blickte zu der Fichte am Zaun hinüber. Die hatte sich im Laufe dieses nebelnassen Tages nämlich verändert und trug viele kleine Lichter in ihren Zweigen.
Seine Freundin, die schwarzbunte Ziege Gloria, die schon ein paar Jahre hier lebte, berichtete, dass die Menschen die dunkle Zeit ein wenig erhellen wollten.animiertes-esel-bild-0098.gif
„Sie stellen Lichter auf und singen Lieder. Das ist schön.“
„Lieder? Auch über uns?“, wollte der kleine Esel wissen.
„Ja. Manchmal.“ Gloria nickte eifrig.
„Sing sie mir vor!“, bat Andy.
„Ich soll singen?“ Die Ziege lachte geckernd auf. „Hast du schon einmal eine singende Ziege gesehen?“
„Zur Menschen-Lichterzeit sollen manchmal Wunder geschehen. Das höre ich immer wieder“, rief Marieann, das Pony. Sie wieherte, und das klang ein bisschen wie ein helles Kichern.
„Wenn wir Glück haben, dann kommt wieder dieser Kinderchor am großen Festtag. Oh, wie schön die singen, diese Zwergmenschen!“ Gloria summte ein bisschen.
Schön hörte sich das nicht an, aber die anderen Tiere lauschten gebannt.
„Mach weiter, Gloria! Das ist schön, dieses Singen!“, bat Andy.
Er versuchte es auch und es dauerte nicht lange, da stimmte auch Marieann in das Gesumme mit ein.
„Guck mal, Papa! Die Tiere singen!“, rief plötzlich ein Kind. Voller Ungeduld zerrte es seinen Vater am Hosenbein zum Zaun des Geheges. „Schön klingt das!“
„Gesang? Schön? Ich höre nichts“ Der Vater sah sich um, dann brummelte er mit Bedauern in der Stimme: „Schade! Zu gern hätte ich einmal einen singenden Esel gehört.“
„Aber ja! Gerade singen sie ein Weihnachtslied“, erklärte das Kind. „Hör doch mal!“
Es stimmte in den Gesang der Tiere ein:
„Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all!“, sang es und sofort erinnerte sich die Ziege Gloria ebenfalls an den Text und sie stimmte mit ein:
„Zur Krippe herkommet, in Bethlehems Stall!“
Schön klang das! Immer mehr Tiere versammelten sich um die Ziege. Sie lauschten dem Gesang des Kindes und der Ziege und sie staunten über den Esel, der leise dazu summte.
„Die redlichen Hirten stehn betend davor“, brummelte Papa und das Kind strahlte.
„Das sind wir, Papa, oder?“
„Wer?“, fragte Papa.
„Na, die Hirten!“, antwortete das Kind.
Marieann wieherte vor Freude. Ach, es machte großen Spaß, mit den Menschen im Chor zu singen!
„Na! Dann lasst uns singen!“, sagte der Vater, und leise murmelte er „Das glaubt mir keiner, wenn ich das erzähle!“ vor sich hin.
Das aber hörte keiner mehr, nicht die Tiere und nicht das Kind. Laut und fröhlich sangen sie viele Lieder und sie hatten großen Spaß dabei. Und wer das nun nicht glauben will, der ist selber schuld.

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Eine Nikolausgeschichte
„Guten Abend“, sagte der Nikolaus.Zwischenablage01.jpg
„Ja, schon recht“, erwiderte der Weihnachtsmann, „immer schön freundlich“, und er setzte etwas hinzu, was sich nach „blöder Job“ anhörte.
„Wer bist du denn?“
„Siehst du doch, ich bin der Weihnachtsmann“, sagte der Weihnachtsmann und verzog sein Gesicht. „Ich bin der 27. Weihnachtsmann heute, dich gar nicht mitgezählt.“
„Und was machst du?“, fragte Nikolaus, der mit dem mürrischen Ton des anderen nichts anfangen konnte.
„Ich mache, was alle Weihnachtsmänner machen.“
„Und was tun alle Weihnachtsmänner?“
„Dumme Frage. Reklame natürlich. Ich verschenke Pralinen. Die sollen den Leuten Appetit machen. Dann kaufen sie sich die große Packung zu vierzehn neunzig oder die Superpackung zu neunundzwanzig achtzig. Und je mehr die Leute heute kaufen, desto zufriedener ist mein Chef, und desto größer ist dann auch mein Trinkgeld.“
„Das heißt: Du verschenkst gar nichts wirklich?“ bohrte Nikolaus weiter.
„Sagt mal, tust du nur so oder bist du wirklich so naiv?“, gab der Weihnachtsmann zurück. „Niemand hat was zu verschenken.“
„Ich schon“, erwiderte Nikolaus.
„Du bist ein seltsamer Vogel. Und was verschenkst du?“
„Äpfel vom Baum des Lebens.“
„Äpfel bringen werbetechnisch nichts ein. Wer ist denn dein Chef?“
Nikolaus verstand nicht ganz. Er musste tief Luft holen. „Mein Herr ist Er, der Eine, der Höchste. Einmal im Jahr darf ich mit seiner Erlaubnis auf die Erde kommen und einen Sack Äpfel vom Baum des Lebens verschenken.“
„Hast deinen Spruch gut gelernt“, sagte der Weihnachtsmann spöttisch. „Dann bist du also der wirklich echte Nikolaus?“
„Ja sicher, wer denn sonst?“
„Geh weiter, du alter Spinner, und grüß mir den Osterhasen!“ Der Weihnachtsmann grinste und lief in die Dämmerung davon.

***

Auf einem Mauersockel in der Hofeinfahrt saß der Junge. Nikolaus ging auf ihn zu. „Du siehst traurig aus. Stimmt etwas nicht?“
Eigentlich wollte der Junge nichts sagen, aber dann sah er sich den Nikolaus an, fand, dass er einen ganz vertrauenswürdigen Eindruck machte, und entschloss sich, doch zu antworten.
„Ach, meine Eltern sind doof. Ich hatte mir zu Nikolaus Tomb Raider gewünscht, und was haben sie mir geschenkt: Super Mario. Das ist doch was für Babys.“
„Was meinst du: Super Mario, Tomb Raider – was sind das für Dinge?“
„Ach, du verstehst genausowenig davon wie meine Eltern. Das sind Computerspiele. Aber die Erwachsenen haben davon keine Ahnung.“
„Da hast du wohl recht. Magst du einen Apfel?“
„Jaja“, sagte der Junge gelangweilt. Und er dachte sich: ‚Ich mag doch gar keine Äpfel. Aber wenn ich einen nehme, lässt mich der komische Alte in Ruhe.‘
Nikolaus gab ihm einen Apfel und ging weiter. ‚Schade, dass ich ihn nicht verstehen kann‘, ging es ihm durch den Kopf.
Als Nikolaus um die nächste Ecke gebogen war, kickte der Junge missmutig den Apfel mit dem linken Fuß quer über die Straße. An einer Hauswand zerplatze er. Ein paar Stadttauben flatterten hinzu und fingen an, sich aufgeregt um die Apfelstücke zu balgen. Der Junge schaute den Tauben zu und musste ein wenig lächeln – zum erstenmal an diesem Tag.

***

Mit zwei Tüten aus einem Billigmarkt kam die junge Frau die Fußgängerzone entlang.
„Darf ich Ihnen einen Apfel schenken?“, fragte Nikolaus. „Ach ja, gern“, erwiderte die Frau. „Der sieht ja gut aus! Wo gibt's denn die zu kaufen?“
„Diese Äpfel kann man nicht kaufen, die kann man sich nur schenken lassen.“
„Seltsam“, sagte die Frau. „Wissen sie, ich bin immer auf der Suche nach Sonderangeboten. Nein, wir sind nicht arm, aber seit sie meinem Mann das Weihnachtsgeld gekürzt haben, da müssen wir schon sparen. Der Gabentisch an Weihnachten soll ja für unsere vier Kinder nicht ganz leer sein.“
Als Nikolaus von den Kindern hörte, schenkte er der jungen Frau noch ein paar Äpfel dazu.
Man trifft nicht jeden Tag so einen freundlichen Nikolaus, und so erzählte die Frau noch ein paar Minuten weiter von ihrer Familie und von ihren Sorgen. Nikolaus nahm sich Zeit, ihr zuzuhören. Er spürte, dass es ihr gut tat, ein wenig zu reden. Schließlich sagte sie: „So, ich muss zum Bus. War schön, dass wir uns kennen gelernt haben.“
Nach dem Abendessen briet die Frau die Äpfel im Backrohr, und ihr Duft füllte die Wohnung. Die ganze Familie aß Bratäpfel. Eines von den Kindern kam auf die Idee, das Licht auszuschalten und ein paar Kerzen anzuzünden. Die Frau erzählte von ihrer Begegnung mit dem Nikolaus in der Stadt, der Mann erzählte den Kindern vom Advent in seiner Jugendzeit, die Kinder fingen an, ihre kleinen Erlebnisse vom Tag zu berichten. Es war richtig gemütlich. Und als es spät geworden war, fiel ihnen auf, dass sie zu erstenmal seit Monaten vergessen hatten, den Fernseher einzuschalten.

***

Nikolaus war inzwischen weitergegangen. Die Geschäfte hatten geschlossen. Es wurde kalt. Die Stadt hatte sich geleert. Viele Äpfel hatte Nikolaus verschenkt, zwei hatte er noch übrig. Er überlegte gerade, wie er sie noch loswerden konnte. Da wäre er fast über den Mann gestolpert, der auf einem Stück Pappe vor dem Eingang des öffentlichen WC lagerte. Nikolaus beugte sich zu ihm herunter. Ein Fahne von billigem Schnaps wehte ihm vom Mund des Mannes entgegen. Und seine Kleider rochen, wie die Kleider eines Stadtstreichers eben riechen.
„Haschschu ma ne Maak für mich?“ fragte der Mann.
„Ich habe kein Geld“, musste Nikolaus bedauernd zugeben. Er setzte sich zu dem Alten auf den Karton.
„Hast du wenigstens was zu essen?“
„Bloß noch zwei Äpfel.“
„Äpfel – naja, besser als nichts. Aber einer reicht mir schon. Weißt du, Bruder, mehr verträgt mein Magen nicht mehr. Der viele Schnaps hat ihn kaputtgemacht, meinen Magen.“
So gut es der Alkohol zuließ, fing der Stadtstreicher an, zu erzählen. Vieles war bloß halb zu verstehen, vieles war durcheinander geraten. Nikolaus hörte etwas von Gefängnis und Arbeitslosigkeit und Scheidung und Wohnungskündigung, erfuhr von einem Leben zwischen Sozialamt und Wärmestube. Während der Mann mit seinem Taschenmesser kleine Stücke vom Apfel abschnitt und in den fast zahnlosen Mund führte und so der Redefluss ins Stocken geraten war, fragte Nikolaus: „Und wo schläfst du heute nacht?“
„Wo ich im Winter immer schlafe: hier.“
„Was, hier im Freien?“
„Nein, da drin, im Vorraum vom Herrenklo. Das stinkt zwar ein bisschen, aber es ist wenigstens nicht ganz so kalt. – So, und jetzt ist Schluss für heute“, setzte er plötzlich hinzu. „Danke noch für den Apfel.“
Lag es nun an dem süßen Apfel, der ihn von innen zu wärmen schien, lag es an der Begegnung mit dem seltsamen Fremden und dem langen Gespräch: Der Mann konnte zum erstenmal seit Monaten wieder eine ganze Nacht durchschlafen. Weder Kälte noch Magenschmerzen weckten ihn für sieben lange Stunden – und das war doch schon etwas.

***

Nikolaus war weitergegangen. „Alten- und Pflegeheim St. Nikolaus“ stand über einer großen Tür. Nikolaus fühlte sich von dem Gebäude angezogen. Hier, das wusste er, musste er seinen letzten Apfel loswerden.
Die Tür stand noch offen. In dem Gebäude roch es nach alten Menschen und nach Desinfektionsmittel. Die Flure waren von kalten Neonleuchten erhellt. In einer Glaskabine sah er die Nachtschwester irgendwelche wichtigen Zahlen in irgendwelche wichtigen Tabellen eintragen. Sie beachtete ihn nicht.
Nikolaus öffnete eine Zimmertür. Er spürte es und wusste mit Sicherheit: Hinter dieser Tür wartet jemand auf mich. Das Zimmer war vom Nachtlicht schwach erleuchtet. Alles war sauber, fast ein wenig zu sauber. Ordentlich gebettet lag da eine alte Frau in ihrem Pflegebett.
„Wer schickt Sie denn?“ fragte sie. „Kommen sie vom Pfarramt?“
„Nicht verraten“, sagte Nikolaus, „ich bin der heilige Nikolaus, der echte“.
„Das ist aber schön“, sagte die alte Frau, „dass mal jemand mich besuchen kommt. Wissen Sie, mich besucht nie jemand. Die Schwestern sind ja freundlich und machen ihre Arbeit. Aber sie haben so viel zu tun. Mein Mann ist schon vor 15 Jahren gestorben, Kinder haben wir nicht. Zu Weihnachten kam immer ein Großneffe mich besuchen, aber diesmal kann er nicht kommen. Es hat mir einen Brief geschrieben. Er verreist über Weihnachten auf die Kanarischen Inseln. Vielleicht kommt er ja nach Neujahr einmal vorbei – ja, vielleicht. Die jungen Leute haben ja immer so viele Pläne.“
Ihre Stimme ist ohne Bitterkeit und klingt doch unendlich traurig.
„Ich kann nicht mehr laufen, ich kann kaum noch sehen, mich braucht niemand mehr.“
Ihre Augen werden feucht.
„Ich habe nur noch einen Wunsch. Du weißt schon: Es ist genug. Aber es soll schnell gehen und nicht so sehr weh tun. Manchmal glaube ich, sogar der liebe Gott hat mich vergessen.“
„Nein, er hat dich nicht vergessen. Er hat mich geschickt.“ Nikolaus fährt der alten Frau liebevoll mit der Hand über die Stirn. „Komm, lass uns gehen!“
Die Nachtschwester fand sie zwei Stunden später. Ihr Leib war schon ziemlich kalt geworden. Auf ihrem Gesicht war ein Lächeln, wie man es bei Toten nur selten findet. Unversehrt auf dem Nachtkästchen lag ein Apfel und verströmte einen wunderbar frischen, süßen Duft. Wie der dahin gekommen war, konnte niemand erklären.
 
Der Fahnder (Teil I)
„Weihnachtskontrolle“ rief der Fahnder laut, als er den Spielzeugladen betrat. Je fester sein Auftreten war, desto weniger Schwierigkeiten machten ihm die Leute. Er machte den Job jetzt seit zwölf Jahren, da hatte er einiges an Berufserfahrung gesammelt. Die meisten Leute mochten ihn sowieso nicht, und so war es ihm ganz recht, wenn sie ihn auch ein bisschen fürchteten.
„Bin ja schon da!“, sagte die Spielzeughändlerin und setzte gleich dazu: „Nichts zu machen, bei mir ist alles ordentlich angemeldet.“
„Wir werden ja sehen“, gab der Fahnder zurück. Er klappte seinen tragbaren Computer auf, holte mit ein paar Tastendrucken das Formular des Spielzeuggeschäfts auf den Bildschirm. „Also gut. Sie haben angemeldet: drei künstliche Weihnachtbäume im Laden, einen echten Baum mit 36 Lichtern vor dem Laden, eine Weihnachtmannfigur im Schaufenster, sieben kleine Dekorations-Weihnachtsmänner in den Regalen. Die Gebühren sind gezahlt.“ Der Fahnder zählte nach. „Stimmt alles.“
Die Spielzeughändlerin lächelte erleichtert. Aber der Fahnder schaute sich noch etwas im Laden um. Da sah er noch fünf Räuchermänner, die ebenfalls deutlich als Weihnachtsmänner gekleidet waren. Er zeigte auf sie: „Und was ist mit denen? Die sind nicht angemeldet.“
„Die sind gebührenfrei. Die haben doch die Marke.“
„Davon sehe ich aber nichts.“
„Doch, drehen sie die Figuren bloß um.“
Der Fahnder nahm eine Figur in die Hand. Tatsächlich, hinten auf dem Mantel des hölzernen Weihnachtmanns standen deutlich die zwei geforderten Worte, weiß auf rot in der richtigen Schrift.
„Das geht so nicht. Die Bestimmungen sagen: Die Marke muss deutlich sichtbar auf dem Gegenstand angebracht sein.“Coca Cola Weihnachtsmann winkend.gif
„Aber sie ist doch deutlich sichtbar.“
„Ja, aber nur wenn ich die Figur umdrehe. Das genügt nicht. Ohne die sichtbare Marke ist die Abgabe fällig, in diesem Fall der dreifache Betrag plus 2000 Euro Bearbeitungsgebühr.“
„Damit geht ja ein großer Teil meines Weihnachtsgeschäftes für Gebühren drauf. Kann man da gar nichts machen?“ Die Selbstsicherheit der Spielzeughändlerin war dahin.
„Ich bin ja kein Unmensch. Ich lasse das Ganze noch einmal als Grenzfall durchgehen. Sie zahlen 200 Euro Verwarnungsgebühr und verpflichten sich, die Weihnachtsmänner so aufzustellen, dass die Marke richtig zu lesen ist. Im nächsten Jahr steht die Marke entweder vorne auf den Figuren, oder sie werden angemeldet – ist das klar?“
„Ja, schon gut.“
Die Spielzughändlerin musste untätig zusehen, wie der Fahnder die 200 Euro von ihrem Konto abbuchte, dann musste sie noch unterschreiben. Sie setzte ihren Namen unter den Ort und das Datum: Bamberg, den 5. Dezember 2299.
„So, das war’s. Schöne Weihnachten noch!“
„Sie erwarten jetzt aber nicht, dass ich ‚Auf Wiedersehen’ sage.“
Die Spielzeughändlerin ärgerte sich. Es war fast jedes Jahr dasselbe: Sie bemühte sich, alle Vorschriften einzuhalten. Aber die wurden immer komplizierter und spitzfindiger, und so fanden die Fahnder fast jedes Jahr irgend etwas auszusetzen. Eigentlich machte Weihnachten so keinen richtigen Spaß mehr.


***

Der Fahnder ging weiter durch die Geschäfte der Stadt. In manchen war alles in Ordnung. Manche Inhaber musste er verwarnen. Bei einigen musste er große Summen kassieren. Einer weigerte sich zu zahlen. Es blieb dem Fahnder nichts anderes übrig, als die Polizei zu rufen und den Mann festnehmen zu lassen. Der hatte tatsächlich gemeint, er könnte mit zwanzig geschmückten Bäumen ohne Marke den Gebühren entgehen.
Es wurde langsam Abend und dunkel und kühl. „Genug für heute“, sagte sich der Fahnder. Und er machte sich auf den Heimweg. Jetzt nach Dienstschluss konnte er die weihnachtlich geschmückte Stadt genießen. Es war schon irgendwie eindrucksvoll. Überall standen die Figuren der großen Weihnachtsmänner. Natürlich waren sie alle mit den zwei weißen Worten auf rotem Grund gekennzeichnet. Ein überlebensgroßer Weihnachtsmann ohne die Marke würde ein Vermögen an Gebühren kosten. Die Lampen von den Girlanden blinkten rot und weiß. Hoch über der Stadt kreiste ge1734259279089.pngmächlich ein weiß-rotes Luftschiff. Als er auf den Marktplatz kam, hatte er Glück. Gerade fuhr feierlich und langsam einer der großen roten Sattelschlepper auf den Platz. Tausende von Lampen erleuchteten den Lastwagen. An seinen Seiten prangten übergroß die zwei Worte, die heutzutage jedes Kind mit Weihnachten in Verbindung brachte.

Der Fahnder hatte selbst hatte als kleiner Junge immer wieder davon geträumt, einmal einen solchen Weihnachtstruck zu steuern. Und er wusste, dass es für seinen Sohn jedes Jahr das Höchste war, einer ganzen Kolonne von diesen Trucks zu begegnen. Dann erst war wirklich Weihnachten.
Der Sattelschlepper war mitten auf dem Marktplatz zum Stehen gekommen. Die Rückwand des Auflegers öffnete sich, ein Weihnachtsmann kam heraus, und ihm folgten viele Helfer: Feen, Elfen, Mickey-Mäuse, Dagobert, Donald und Daisy Duck, Frösche und Marienkäfer, Außerirdische der verschiedensten Form, alle möglichen Gestalten aus den alten und neuen Trickfilmen. Die Kinder, die den Truck erwartet hatten, jubelten und kreischten. Der Weihnachtsmann und die Helfer begannen, kleine Geschenke auszuteilen, vor allem natürlich die Flaschen mit dem braunen Getränk, das Getränk mit dem Namen, der untrennbar mit Weihnachten verbunden war, mit dem Namen aus zwei Worten, in weißer Schrift aus rotem Grund. In manchen Flaschen befand sich allerdings keine braune Brause, sondern ein Gutschein für eine Reise oder ein teures Spielzeug. Jeder hoffte natürlich, eine solche Glücksflasche zu ergattern. Aus dem Lautsprecher tönte „Jingle Bells“ und „Fröhliche Weihnacht überall.“

***
 
Der Fahnder (Teil II)
War das nun fröhlich? Der Fahnder spürte ein Unwohlsein in sich aufsteigen. Es war seltsam: Er arbeitete für die Getränkefirma, die Weihnachten erfunden hatte. Er trieb die Gebühren ein von Leuten, die weihnachtliche Symbole verwenden wollten, ohne gleichzeitig Werbung für die Firma zu machen. Er lebte von Weihnachten, es war sein Job. Aber von Jahr zu Jahr konnte er sich weniger daran freuen. Es blieb in ihm ein Gefühl von Leere. Das alles wurde ihm immer fragwürdiger.
Er fühlte: Ich muss hier weg. Er wollte vor dem Heimgehen noch ein bisschen Ruhe finden und mit seinen Gedanken allein bleiben. Er nahm seinen Weg in ein stilleres Viertel der Stadt. Er überquerte den Fluss. Er spazierte langsam einen Hügel hinauf. Das Museum für mittelalterliche Kunst mit seinen vier hohen Türmen lag würdevoll da. Schon lange wollte er einmal das Museum besuchen, aber jetzt am Abend hatte es schon geschlossen, und ihm war ohnehin nicht nach Kunst zumute. In den alten Gassen hinter dem großen Museum war es endlich wirklich ruhig.
Er ging durch die Gassen und genoss die Stille. Musik riss ihn aus seinen Gedanken. Musik, die er noch nie gehört hatte. Da schienen doch tatsächlich einige Leute selbst zu singen, ganz ohne Elektronik. Das hatte er schon lange nicht mehr erlebt.
Er ging dem Klang nach und kam an ein altes Gebäude mit einem kleinen Türmchen. Die Tür stand einen Spalt offen. Der Gesang drang durch diesen Spalt nach draußen. Neugierig zog er die Tür ein wenig auf. Da saßen in einem kleinen Saal etwa drei Dutzend Menschen, Männer und Frauen, ältere und jüngere, auch ein paar Kinder. Sie sangen tatsächlich. Er verstand nicht ganz, was da gesungen wurde. Der Text des Liedes sprach von einer offenen Tür, von einem Retter und Helfer, von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Er konnte sich keinen rechten Reim darauf machen.
Aber diese Leute machten ihn neugierig. Er zog die Tür ganz auf und stellte sich hinten in den Raum, um weiter zuzuhören. Niemand schien ihn zu bemerken. Es war ziemlich dunkel. Der Raum war in eine andächtige Stimmung 2 Advent.gifgehüllt. Vorne sah er ein seltsames Gebilde, einen Kranz aus Tannenzweigen mit vier richtigen Wachskerzen; zwei davon brannten, und ein beruhigendes Licht ging von ihnen aus.
Das Lied ging zu Ende und anscheinend auch diese seltsame Zusammenkunft. Denn die Leute standen auf, gaben einander die Hand und begannen, der Tür zuzustreben. Der Fahnder war neugierig geworden und war entschlossen, zu fragen, was das alles zu bedeuten hatte. Aber auch die anderen hatten ihn inzwischen gesehen. Einige von den Leuten kamen auf ihn zu und begrüßten ihn freundlich.
„Was ist das hier?“, fragte der Fahnder.
„Wir sind die Christengemeinde von Bamberg und feiern Advent“, erhielt er zur Antwort. Jetzt ging es ihm langsam auf. Von Christen hatte er schon einmal gerüchteweise etwas gehört.
„Was ist das – Advent?“, so fragte er weiter.
„Wir bereiten uns auf Weihnachten vor.“
„Was gibt es da vorzubereiten – Weihnachten ist doch schon seit dem ersten Dezember!“
„Für uns nicht. Wir feiern die Geburt von Jesus erst am fünfundzwanzigsten.“
„Geburtstag von Jesus – wie alt ist er denn?“
„Er kam vor ungefähr 2300 Jahren auf die Welt.“
„Da ist er ja schon lange tot. Und ihr feiert heute noch seinen Geburtstag?“
„Ja, weil wir glauben, dass er lebt.“
Das sind eigenartige Leute, dachte der Fahnder. Aber sie schienen es ehrlich zu meinen.
„Und warum habt ihr angefangen, ausgerechnet an Weihnachten seinen Geburtstag zu feiern?“
„Deine Frage ist falsch gestellt. Weihnachten ist, weil Jesus geboren ist.“
„Unsinn, jedes Kind weiß, dass Weihnachten das Fest von Coca Cola ist. Das ging im 20. Jahrhundert schon an. Weihnachten und Coca Cola – das ist dasselbe. Und wir sind stolz darauf.“ Der Fahnder sagte „wir“ – schließlich war es auch seine Firma. Aber er war sich dieses „Wir“ nicht mehr ganz sicher.
„Nein, das ist ein Märchen, das heute fast alle glauben. Aber es ist einfach falsch. Wir feiern Weihnachten schon viel länger. Wir sind heute nur wenige, aber es gibt uns Christen schon seit den Tagen von Jesus.“
„Behaupten kann das jeder.“
„Wir können es auch beweisen. Wir haben zum Beispiel Bücher aus einer Zeit, bevor Coca Cola gegründet wurde. Und da ist unser Weihnachtsfest schon selbstverständlich. Du kannst die Bücher gern sehen.“
Den Fahnder schwindelte. Konnte das sein: dass alles ganz anders war? Weihnachten, ein Fest dieser kleinen Gruppe von Christen? Weihnachten, gar nicht von seiner Firma erfunden? Dann hatten sie ja im Grunde gar kein Recht, Lizenzgebühren zu kassieren. Dann war letztlich sein Beruf hinfällig.
Er verabschiedete sich schnell und ging hinaus. Er musste nach Hause. Das war schon mehr, als er für heute verkraften konnte. Aber er war sich sicher: Er würde wiederkommen. Er würde weiter fahnden. Wahrscheinlich nicht mehr lange nach säumigen Gebührenzahlern. Er würde weiter suchen nach dem wahren Ursprung von Weihnachten. Er war sich sicher: Hier bei diesen Leuten war eine Spur zu finden. Und er fühlte: Heute hat etwas angefangen, möglicherweise sogar ein ganz neues Leben.

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Herberge (Teil I)
Eigentlich bin ich ja ein verträglicher Mensch. Ich gehe nicht schnell in die Luft. Ich kann einiges einstecken. Aber heute muss ich mich einmal beschweren – ja, bei euch, die ihr heute so friedlich vorweihnachtlich beisammen sitzt. Warum beschweren? Immer wieder werde ich schlecht gemacht. Immer wieder zieht man über mich her, in fast jedem Krippenspiel und so ungefähr in jeder zweiten Weihnachtsgeschichte. Was habe ich denn getan – was habe ich euch denn getan, dass ich da ständig als Sündenbock herhalten muss?
Aber vielleicht stelle ich mich doch erst einmal vor. Habakuk heiße ich, und ich betreibe mit meiner Frau Dina eine Herberge in Bethlehem. Ich bin stolz auf meine Herberge – schon mein Ururgroßvater hat sie gegründet, und wir sind ein stolzes Haus, das kann ich sagen, 24 Zimmer, und die sind nicht übel. Natürlich geht es mal besser und mal schlechter, wir sind eben ein Saisonbetrieb, man muss sich schon anstrengen, wenn man das Erbe zusammenhalten und mehren will.
Also neulich, da hab ich mich richtig gefreut. Den Kaiser mag ich ja sonst nicht besonders, ich mag überhaupt keine Römer. Aber was ihm da eingefallen ist, das war schon toll. Eine Volkszählung, mitten im Spätherbst, wenn kein vernünftiger Mensch ohne ganz wichtigen Grund verreist. Wirklich gut, ein tolles Zusatzgeschäft außerhalb der Saison. Schon in den ersten Tagen hatte ich fast alle Zimmer voll. Viele kamen nach Bethlehem. Wenn ihr euch da nicht so auskennt: In Bethlehem ist 1000 Jahre vor mir unser König David der Große geboren worden. Viele sind stolz auf ihre Abstammung vom Königshaus – mag das nun stimmen oder nicht. Viele kamen jedenfalls, um sich hier bei uns eintragen zu lassen.
1734545779922.jpegEines Abends klopft es wieder an meiner Tür. „Wer kommt den jetzt noch?“, dachte ich mir. Ich ging hinaus, und da standen sie: Ein Mann, so um die dreißig, mit einer sehr jungen Frau – sie war sicher höchstens siebzehn, und sie war deutlich schwanger. Warum die jungen Mädchen immer nicht aufpassen!
Beide sahen nicht besonders gut aus. Von der langen Reise waren sie schmutzig und trotz der Kälte verschwitzt; die Frau saß auf einem ziemlich abgemagerten Esel. Ich erkannte sofort: Da lässt sich kein Geschäft machen. Und meine Frau flüsterte mir gleich ins Ohr: „Lass die bloß nicht rein, die machen sicher Ärger mit der Rechnung“. Und ich flüsterte zurück: „Ich habe alles im Griff.“
Laut fragte ich den jungen Mann: „Was kannst du zahlen?“
„Wie wäre es mit zwei Denaren pro Nacht?“, fragte er zurück.
„Na“, dachte ich mir, „so furchtbar arm scheint er gar nicht zu sein.“ Zwei Denare pro Nacht, das ist mein Normalpreis für ein einfaches Zimmer. Aber ich ließ mir nichts anmerken, nur mein Lachen war vielleicht ein bisschen zu künstlich. Ich lachte laut heraus: „Zwei Denare – guter Mann, das ist lächerlich. Du siehst doch, was in der Stadt los ist. Unter zehn kriegst du hier kein Mauseloch. Und ein anständiges Zimmer kostet mindestens zwanzig.“ Ja, so ähnlich sagte ich. Ich muss wirtschaftlich denken. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Hohe Nachfrage – hoher Preis. So funktioniert Wirtschaft eben. Ehrlich: Ihr hättet das auch so gemacht – oder?
Tatsächlich konnte ich meine letzten Zimmer dann eine halbe Stunde später für dreißig Denare an eine reiche Kaufmannsfamilie vermieten. Ich wäre ja dumm gewesen, sie billiger herzugeben. Ich bin kein Unmensch – aber eben auch kein Dummkopf.
„Dann müssen wir eben anderswo suchen“, sagte die junge Frau, „komm, Josef, ich habe nicht mehr viel Zeit.“ Sie gingen weg. Traurig, aber ich bin ein Wirt und nicht das Sozialamt. Oder was hättet ihr getan?
Etwa eine Stunde später ging ich dann noch mal ums Haus, um die Fensterläden zu schließen. Und da sah ich sie wieder, immer noch auf der Suche. Der junge Mann ging schleppend, der Esel sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen, und die Frau saß ganz krumm auf dem Rücken des Tiers. Ein Zimmer hatte ich nun ja wirklich nicht mehr, und so konnte ich mir sagen: „Nichts zu machen.“
Aber hartnäckig sind die Leute schon. Als ich gerade wieder ins Haus gehen wollte, sprach mich der Mann an, ganz höflich und schüchtern: „Siehst du gar keine Möglichkeit mehr, dass wir irgendwo unterkommen? Wenn wir nicht bald was finden, wird meine Frau das Kind auf der Straße bekommen.“
Und da fiel mir ein: Ich hatte ja noch einen Raum, nicht besonders bequem, nicht besonders wohlriechend, aber immerhin mit vier Wänden und einem Dach. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliches Handeln, dachte ich mir. Ich ließ mein Herz erweichen: „Ich könnte euch im Stall unterbringen. Da ist Platz, da steht gerade bloß ein Ochse; den anderen musste ich letzte Woche zum Metzger bringen. Ich gebe euch den Raum für zwei Denare pro Nacht – aber ohne alles. Wenn ihr versprecht, keinen Ärger zu machen, dann könnt ihr erst einmal da bleiben.“
„Nein, Ärger machen wir sicher nicht“, versicherte der Mann, von dem ich inzwischen wusste, dass er Josef heißt, und wirkte sehr erleichtert. Ich war auch erst einmal froh. Zwei Denare sind zwei Denare; Krümel machen Brot – so sagt ihr doch auch, oder?
Hätte ich es nur nicht geglaubt, das mit dem „keinen Ärger machen.“ Erst ging alles gut. Die Leute bezogen mit ihrem Esel den Stall und waren ruhig. Aber dann ging es los. Um Mitternacht kam tatsächlich das Kind. Eine Wanne heißes Wasser wurde gebraucht. Ich stand auf, schürte den Herd an und kümmerte mich darum, setzte natürlich einen Denar extra auf die Rechnung und einen halben als Nachtzuschlag. Kaum war das Kind gebadet und gewickelt, fragten die Leute nach einer Wiege. Nein, so was habe ich wirklich nicht mehr, meine Kinder sind alle schon erwachsen. So legten sie ihr Kind in die leere Futterkrippe des zweiten Ochsen.
„Jetzt reicht es aber“, dachte ich mir. Doch es ging erst richtig los. Um zwei Uhr klopfte es an meine Tür. Gerade war ich eingeschlafen und schreckte auf. Ich wollte erst nicht aufmachen, aber die Klopfer gaben einfach keine Ruhe. Ich öffnete – draußen standen ein paar ziemlich wüste Gestalten, Hirten oder so; schmutzig und ungepflegt standen sie da.
„Ist bei dir der Messias gerade geboren worden?“
„Ja spinnt ihr jetzt völlig“, gab ich zurück, schon ein bisschen laut, „mitten in der Nacht so einen Lärm zu machen und so einen Unsinn zu fragen!“ – Oder was hättet ihr gesagt, wenn da wildfremde Leute so spät so ein Spektakel machen?
1734545571413.jpegWas mich dann gewundert hat: Sie wussten, dass das Kind in der Krippe liegt. Zufall wahrscheinlich, aber ich war doch ziemlich verblüfft. Und um meine Ruhe zu haben sagte ich: „Gut, geht in den Stall und schaut euch das Kind an – aber in fünf Minuten geht ihr wieder.“ Und wieder war ich einfach zu gutherzig. Meint ihr, die wären nach fünf Minuten gegangen? Aus den fünf Minuten wurden zehn und zwanzig, dann fingen sie auch noch zu singen an, uralte Lieder von unserem König David. Ich habe ja nichts gegen Psalmen. Aber nachts um drei und mit den rauen Stimmen von Viehhütern– das muss ja wirklich nicht sein. Erst nach über einer geschlagenen Stunde sind die Hirten wieder gegangen, fast halb vier war es. Ich war richtig sauer. Ich brauche auch meinen Schlaf, genauso wir ihr.
Und immer noch war keine Ruhe. Die Hirten hatten zwei Lämmer mitgebracht. Um halb fünf fingen die wie wild das Blöken an. Richtig doof: Die Hirten hatten die Lämmer verschenkt, ohne sie zuvor noch mal zu füttern. Josef brauchte mich gar nicht zu wecken, das Geschrei hatte mich ohnehin schon wach gemacht. Ja – ich hatte noch ein Gefäß mit Milch da stehen. Ja, ich gab sie Josef. Ja, ich habe die Milch auf die Rechnung gesetzt. Aber was ist daran unanständig? Ich musste ja auch dafür bezahlen. Mir schenkt auch keiner was.
Das hatte ich nun davon: Eine schlaflose Nacht, nächtliche Besucher mit verrückten Fragen, am Morgen dann maulende Gäste: „Bringen Sie doch mal Ruhe ins Haus!“, keine Milch mehr zum Frühstück und im Stall ein Paar mit einem Neugeborenen, das ich wohl nicht so schnell loswerden konnte. „Das nächste Mal bleibst du hart“, sagte ich mir. Man wird nur ausgenützt. Reichst du den kleinen Finger, nehmen sie immer gleich die ganze Hand. Ich habe doch Recht – oder?
 
Herberge (Teil II)
Der Ärger ging noch weiter. Nach drei Tagen hatte die junge Familie kein Geld mehr. Zurückreisen konnten sie noch nicht, die Warteschlangen bei den Volkszählungsbüros waren endlos, und die Frau brauchte auch noch ein paar Tage, um nach der Anreise und der Geburt wieder zu Kräften zu kommen. Rausschmeißen konnte ich die drei jetzt auch nicht mehr wegen dem Kind, das hätte doch zu sehr meinem Ruf geschadet. Ein Neugeborenes kann man nicht auf die Straße setzen. Zum Glück stellte sich heraus, dass Josef Zimmermann war. So ließ ich ihn ein paar Balken an meinem Dach auswechseln – die Arbeit war ohnehin fällig. So kam ich auch noch billig an eine Reparatur. Wenn ich schon den Ärger habe, dann will ich wenigstens eine Entschädigung – wie jeder vernünftige Mensch.
Nach einer Woche reisten sie dann ab. Ich wusste, dass sie kein Geld mehr haben. Den Wert von Josefs Arbeit setzte ich so an, dass doch noch ein bisschen Schulden blieben. So konnte ich die Leute ein wenig erziehen: „Überlegt vorher, wie ihr eure Reisen bezahlen wollt.“ Josef hat mir dann die beiden Lämmer in Zahlung gegeben, und so kam ich dann doch noch zu einem kleinen Gewinn.
Jetzt sagt selbst: Bin ich ein Unmensch? Ich habe nur getan, was die meisten anderen an meiner Stelle auch getan hätten. Ich bin ein Geschäftsmann, nicht ein Wohlfahrtsverein. Ich habe Leistungen geboten und sie mir ordentlich bezahlen lassen. Ich bin doch ein normaler Mensch. Seid ihr so sicher, dass ihr euch anders entschieden hättet? Also sucht euch jemand anderen, wenn ihr einen Buhmann sucht für eure Adventsfeiern!
Drei Sachen muss ich noch kurz anfügen.
Das erste: Die junge Frau hat sich tatsächlich noch bei mir bedankt. Ich weiß jetzt, dass sie Maria heißt, und sie hat „Dank euch, guter Habakuk. Gott segne euch!“ zu mir gesagt. „Guter Habakuk“ – das war mir fast ein bisschen peinlich.
Das zweite: Als sich Maria und Josef verabschiedeten, da war mir, als sähe das Kind mir für einen Augenblick ganz fest in die Augen. Es war ein Blick, wie ich ihn nie gesehen habe und schon gar nicht bei einem acht Tage alten Säugling. Seine Augen schienen endlos in die Tiefe zu führen, und wie durch eine Höhle hindurch meinte ich, in diesen Augen ein überirdisches Licht glänzen zu sehen. Das war keine Einbildung. Ich sage es nur euch. Mit dem Kind ist vielleicht doch etwas Besonderes.
Und ein drittes. Vor meinem Stall stand einmal ein Granatapfelbaum. Der wurde von meinem Großvater gefällt, als ich noch ein Kind war. Er brachte keine Früchte mehr. Der Baumstumpf steht heute noch da. Gelegentlich nimmt ihn jemand als Hocker. Auch Maria hat sich an sonnigen Tagen darauf gesetzt und ihr Kind gestillt. Und ob ihr’s glaubt oder nicht: Ein paar Tage, nachdem die drei abgereist waren, sah ich einen jungen Trieb an dem Baumstumpf. Und ein paar Wochen danach hat der Zweig doch tatsächlich geblüht. Ist das Zufall? Ich weiß es nicht. Aber mir kam in den Sinn, was unser Prophet Jesaja einmal geschrieben hat:

"Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor,
ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.
Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf ihm:
der Geist der Weisheit und der Einsicht
der Geist des Rates und der Stärke,
der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.
Gerechtigkeit ist der Gürtel um seine Hüften,
Treue der Gürtel um seinen Leib."


Und ich frage euch, die ihr zweitausend Jahre nach mir lebt: Ist da wirklich aus diesem Kind, das in meinem Stall geboren wurde, etwas Großes geworden? War das wirklich der Messias, der Gesandte und Gesalbte Gottes, wie die Hirten meinten? Was meint ihr? Was wisst ihr? Was glaubt ihr?
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Fremde
(Thema Migration - Flüchtlingspolitik)
1734839115938.jpegAls die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten.
So erzählt Matthäus im zweiten Kapitel seines Evangeliums. Wie es dann weiterging, das wissen wir nicht genau. Aber da den Menschen ihre Natur eigen ist und seit 2000 Jahren sich zwar die Lebensumstände geändert haben, aber nicht so sehr das Wesen des Menschen, war es vielleicht so, wie hier erzählt wird:

Kurzmeldung des Unter-Grenztorhüters Abubakar an den Kommandanten der Grenzwache am Bittersee:
Hochverehrter, geschätzter Kommandant, heute kam hier an der Grenze zur Provinz Ägypten eine Familie an, bestehend aus einem Mann, seiner sehr jungen Frau und einem Säugling; außerdem gehört ein Esel zu der Gruppe. Sie geben an, aus Judäa zu kommen, und sie bitten um Asyl. Das kam bisher nicht vor, Flüchtlinge aus Judäa hatten wir hier noch nicht. Ich habe die drei in vorläufigen Arrest genommen und bitte um weitere Anweisungen.

Befehl des Bennu, Kommandant der Grenzwache am Bittersee an Abubakar, Unter-Grenztorhüter:
Die Flüchtlingsfamilie ist genauestens zu befragen. Durchsuchung des gesamten Gepäcks wird angeordnet einschließlich Leibesvisitation. Sie sind weiter als Gefangene zu betrachten. Nach Durchführung Bericht an mich. Eilt sehr.

Bericht des Unter-Grenztorhüters Abubakar an Bennu, den Kommandanten der Grenzwache am Bittersee:
Werter Kommandant, alles, was Ihr angeordnet habt, wurde getreulich ausgeführt. Der Mann heißt Josef und stammt aus Bethlehem in Judäa; das war auch sein letzter Aufenthaltsort. Die Frau heißt Maria, das Kind Jesus. Der Mann gibt an, Zimmermann zu sein, die Frau kann nach eigener Angabe ganz gut spinnen und weben. Die Durchsuchung brachte eine Bestätigung der Volkszählungsbehörde aus der Stadt Bethlehem zutage; das macht die grundlegenden Angaben glaubhaft. An weiteren Dingen von Wert wurden gefunden: Ein kleiner Sack mit Weihrauch, ein Tongefäß mit guter Myrrhe und ein Lederbeutel mit zehn Goldmünzen, angeblich ein Geschenk, ansonsten nur wertloser Alltagskram. Als Fluchtgrund geben sie an, dass Herodes, derzeit König von Judäa, dem Kind nach dem Leben trachtet. Belege gibt es dafür freilich keine. Wie soll ich weiter verfahren?

Anfrage von Bennu, Kommandant der Grenzwache am Bittersee an den Regionalstatthalter Snofru:
Hochverehrter Statthalter, um die Berechtigung einer Einreise prüfen zu können, erbitte ich Informationen zu König Herodes von Judäa. Gibt es Nachrichten über Verfolgungen in Bethlehem und Umgebung?

Antwort von Snofru, Regionalstatthalter Nordost an Bennu, Grenzwachenkommandant:
Ich habe weiter oben im Außenamt nachgefragt. Es liegen keinerlei Nachrichten über Verfolgungen durch Herodes vor; er gilt als guter und erfolgreicher Herrscher. Er hat den Juden sogar einen neuen Tempel gebaut. Flüchtlinge aus Judäa sind somit grundsätzlich nicht aufzunehmen. Juden sind zudem die Nachfahren der Hebräer, die den Pharao vor 1200 Jahren in große Bedrängnis geführt haben. Durch List eines gewissen Mose kam damals eine größere Zahl von unseren Streitwagenleuten ums Leben. Juden hassen die Ägypter bis heute und sind aus unserer Sicht potentielle Gefährder.

Befehl des Bennu, Kommandant der Grenzwache am Bittersee an Abubakar, Unter-Grenztorhüter:
Die Familie des Josef ist weiterhin in Arrest zu halten. Wiederholte verschärfte Befragung, notfalls mit Einsatz körperlicher Mittel: Auf welchen Informationen beruht die Behauptung der Verfolgung durch Herodes? Behauptete Tatsache erscheint extrem unwahrscheinlich.

Bericht des Unter-Grenztorhüters Abubakar an Bennu, den Kommandanten der Grenzwache am Bittersee:
Hochgeschätzter Kommandant, besagter Josef erteilte bereitwillig, ja sogar freundlich Auskunft. Anwendung von Folter war nicht notwendig. Josef gibt an, dass ihm ein Engel im Traum erschienen ist und ihn anwies, nach Ägypten zu fliehen. Angeblich meint Herodes, das neugeborene Kind werde ihm einst den Thron streitig machen. Josef führte, wie er sagte, nur den Befehl des Engels aus. Sonst weiterhin kein Nachweis von Verfolgungssituation.

Befehl des Bennu, Kommandant der Grenzwache am Bit-tersee an Unter-Grenztorhüter Abubakar:
Merke dir: Die Bewohner der Provinz Ägypten sind die gelehrtesten unter den Völkern des römischen Reiches. Wir brauchen Fakten, nicht Träume, nicht Phantasien, nicht Engelerscheinungen. Ägypten kann nicht jeden Träumer aufnehmen. So ergeht folgender Bescheid: Verfolgung ist nicht glaubhaft; Judäa ist sicheres Herkunftsland. Die Familie des Josef ist aus dem Grenzarrest zu entlassen und abzuweisen. Das Gold ist einzuziehen, da kein Nachweis des ehrlichen Erwerbs zu erbringen ist. Ansonsten keine Strafmaßnahmen. Anmerkung: Ob und wie sie den Rückweg durch den winterlichen Sinai schaffen, ist ihr Problem.

***

So die Aktenlage. Und so endete die fiktive Geschichte Gottes mit den Menschen am Grenzzaun der Provinz Ägypten. Der Mensch Jesus, kaum geboren, war schon verloren. Die Flucht nach Ägypten war gescheitert. Gott war in der Welt, und sie hatte ihn nicht aufgenommen. Alles blieb beim Alten.

Aber es kam doch anders. Außerhalb der Akten, ohne die Bürokratie. Es könnte sein, dass der Untertorhüter Abubakar ein Einsehen hatte. Es könnte sein, dass er aus Mitleid seine Pflichten verletzt hat. Es könnte sogar sein, dass er dem Josef und seiner Familie falsche Papiere besorgte. Es könnte sein, dass er dafür noch die Myrrhe und den Weihrauch als Bezahlung brauchte. Es ist denkbar, dass Josef in Ägypten sogar Arbeit gefunden hat; den treuen Esel brachte er als Arbeitstier in ein Baugeschäft ein und durfte mitarbeiten und so seine Familie am Leben erhalten. Es könnte sein, dass Maria durch Weberei etwas dazuverdiente. Es war wohl so, dass die drei einige Jahre in Ägypten gut durchkamen, weil Gottes Hand über ihnen war. Wie es genau war, wissen wir nicht.

Aber Matthäus berichtet:
Dort (in Ägypten) blieb Josef bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.
Als Herodes gestorben war, erschien dem Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und zieh in das Land Israel; denn die Leute, die dem Kind nach dem Leben getrachtet haben, sind tot. Da stand er auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel.
 
Multikulti
In der vierten Klasse damals hießen sie die vier Unzertrennlichen. Sie saßen in der Schule nahe beieinander, sie spielten in der Pause meistens miteinander; sie teilten große Teile ihrer Freizeit, erkundeten ihr Stadtviertel und den nahegelegenen Wald – wie das Zehnjährige eben so tun. Und wie das damals so üblich war, Mitte der sechziger Jahre, nannten sie sich in der Schule und auch beim Spielen mit ihren Familiennamen: Müller, Meyer, Schmidt und Fischer.
Dann ging die Grundschulzeit zu Ende. Sie kamen in verschiedene Schulen, und die Unzertrennlichen wurden getrennt. Ihre Lebensläufe nahmen ganz verschiedene Richtungen; sie hörten jahrzehntelang nur wenig voneinander. Doch knapp sechzig Jahre später, in der Gegenwart, als alle vier Ende sechzig und im Ruhestand waren, beschlossen sie, ein paar Mal im Jahr wieder zusammenzukommen, ein oder zwei Bier miteinander zu trinken, die alten Zeiten wiederaufleben zu lassen und die neuen Zeiten zu diskutieren. So auch gegen Anfang des Advents 2023. Die vier trafen sich an einem Vormittag in ihrem Stammlokal in der Innenstadt und kamen wie immer schnell miteinander ins Reden.
Müller erzählte: „Ich war gerade mal auf dem Weihnachtsmarkt. Der ist leider nicht gar mehr das, was er früher einmal war. Früher – da gab es fränkische Bratwürste und Nürnberger Lebkuchen und Erlanger Beerenwein als Glühwein. Und heute: Holländische Waffeln, das geht ja noch, belgische Pommes frites lasse ich mir auch noch gefallen. Aber daneben ein türkischer Dönerstand. In der Nähe ein syrischer Imbiss mit Falafel und so Zeugs. Am Glühweinstand ist dieses Jahr kein Erlanger Beerenwein mehr zu haben. Dafür der neue große Renner: Lumumba!“
Meyer unterbrach ihn: „Das habe ich auch schon gehört, weiß aber nicht, was das ist. Klingt irgendwie afrikanisch – oder?“
Schmidt konnte Auskunft geben: „Lumumba, das ist Kakao mit einem Schuss Rum drin und mit Sahnehaube. Ist nach einem Politiker aus dem Kongo benannt, der vor 60 Jahren gestorben ist. Das Wort ist also wirklich aus Afrika.“
„Lumumba – klingt fast wie ‚humba-humba‘“, witzelte Meyer.
Und Müller klagte weiter: „Zwetschgenmännla sind kaum noch zu kriegen, dafür jetzt so genannte Kunst aus aller Herren Länder. Und die Musik vorhin kam von so einer arabischen Gruppe statt von einer ordentlichen Blaskapelle. Ich habe mich eher wie auf einem orientalischen Basar gefühlt als auf einem Weihnachtsmarkt.“
Und Meyer pflichtete ihm bei: „Ja, man fragt sich ernsthaft, was hier eigentlich gefeiert werden soll: Weihnachten oder irgendein Ramadan-Abschluss oder so was Ähnliches. Ich will das ganze Multi-Kulti Zeug nicht. Ich will meine alte fränkische Weihnacht wiederhaben – oder zumindest meine deutsche.“
1735113544079.jpegUnd Müller fügte hinzu: „In Nürnberg haben sie vor ein paar Jahren sogar ein indisches Mädchen zum Christkind gewählt.“
„Ein halb-indisches. Die Mutter ist Deutsche“, korrigierte Schmidt.
Müller gab zurück: „Ach was, Spitzfindigkeiten! Ganz oder halb-indisch, fremd bleibt fremd.“
Fischer war bis dahin stumm geblieben. Schmidt spürte aber, dass sein Nachbar schon das ganze Gespräch hindurch unruhig auf seinem Sitz hin und her rutschte. Und er fragte: „Du sagst gar nichts dazu?“
Fischer holte tief Luft. Er spürte, dass er jetzt unbedingt etwas sagen musste. Er sah das alles ganz anders. Aber er wollte es so sagen, dass er die anderen nicht verletzte. Er wollte die wiedergefundene Freundschaft nicht in Gefahr bringen. Und so redete er sehr vorsichtig.
„Liebe Freunde, ihr wollt ein rein deutsches oder fränkisches Weihnachten. Aber ich frage euch: Gibt es das eigentlich?
Es könnte ja sein, dass die Stadt Nürnberg mit ihrem so typisch fränkischen Christkindlesmarkt früher gerade deswegen so bedeutend war, weil hier Handel betrieben wurde mit so seltsamen Sachen wie Pfeffer und Zimt und anderen Gewürzen aus dem Fernen Osten. Markt entsteht aus Handel, große Märkte entstehen aus Fernhandel, gerade mit dem Orient.
Es könnte ja sein, dass die Fränkischen Bratwürste ohne Pfeffer und andere orientalische Gewürze wie Macis gar nicht schmecken würden.
Es könnte ja auch sein, dass auch ein guter Glühwein ganz selbstverständlich Zimt und Nelken und vielleicht noch andere orientalische Gewürze braucht.
Es könnte ja sein, dass Nüsse und Mandeln für Lebkuchen und Stollen in großen Mengen aus der Türkei und aus Kalifornien importiert werden, weil in Franken Mandeln gar nicht und Nüsse viel zu wenig wachsen. Dasselbe könnte ja für Zitronat und Orangeat gelten, für Korinthen und Sultaninen, die stammen alle weit aus dem Süden.
Der Weihrauch kommt ja vielleicht auch aus Vorderasien und Nordafrika, gelangt erst in das Erzgebirge, wird dort zu Räucherkerzchen verarbeitet und verbreitet dann seinen Duft auf fränkischen Weihnachtsmärkten als Import aus dem ‚ganz nahen Osten‘, also aus Sachsen, das manche immer noch für DDR und Ausland halten.
Bei ‚Lumumba‘ ist übrigens nur der Name neu. Kakao mit Rum und Sahne gibt es seit über 100 Jahren in Norddeutschland. Er heißt dort ‚Tote Tante‘.
Es könnte ja auch sein, dass gerade die Mischung aus Einheimischem und Exotischem einen Markt attraktiv macht.
Es könnte ja auch sein, dass bei alledem eine Dönerbude oder ein Stand mit syrischem Essen oder ein Christkind mit indischen Wurzeln gar nicht stört, sondern bereichert.
Es könnte ja auch sein, dass ein ‚reinrassig‘ fränkischer Weihnachtsmarkt ganz langweilig wäre.
Es könnte sein, dass es ‚am Ende des Ramadans‘ gar keine Krippe gibt; am Weihnachtsmarkt steht aber noch eine, sogar eine ziemlich große – Verwechslung ist also ausgeschlossen.
Es könnte ja sein, dass die Krippenbauer da auch etwas Wichtiges begriffen haben. Es gibt Heimatkrippen mit fränkischen Trachten, und es gibt Orientkrippen mit exotischen Gewändern. Beides hat seinen Sinn.
Es könnte ja sein, dass die Weihnachtsmärkte schon immer ‚Multikulti‘ waren – und dass das gar kein Schaden ist.“
Meyer unterbrach ihn. „Naja, wir wissen, dass du schon immer ein Gutmensch bist – immer mit Verständnis für alles. Aber ich mache da nicht mit.“
Fischer war noch nicht am Ende:
„Es könnte ja sein, dass es an Weihnachten um eine Geschichte geht, die ursprünglich im Nahen Osten spielt, im heutigen Israel und in Palästina, damals römische Provinz Syrien.
Es könnte ja sein, dass drei seltsame Gestalten, Magier oder Weise aus dem Mittleren Osten, in der Weihnachtsgeschichte auch eine gewisse Rolle spielen. Die kamen vielleicht aus Persien, das heute Iran heißt. Einer von den dreien könnte der Überlieferung nach auch aus dem tiefen Afrika gekommen sein.
Es könnte ja sein, dass Maria und Josef und das Jesuskind bald nach dem allerersten Weihnachten Flüchtlinge in Ägypten waren, dass sie als Ausländer und Kulturfremde dort ihre Schwierigkeiten hatten.
Es könnte ja sein, dass Weihnachten und kulturelle Vielfalt in der Wurzel eng zusammengehören.
Und übrigens: Die Adventsheiligen Barbara und Nikolaus waren beide aus dem Gebiet der heutigen Türkei. Das einzig Deutsche am Nikolaus ist der Knecht Ruprecht, dazuerfunden, um Kindern Angst zu machen – und wir hatten wirklich Angst vor dem; der schlug manchmal heftig zu.
Und schließlich: Josef, Maria und Jesus waren keine Biodeutschen, sondern von Abstammung und Glauben her Juden, orientalische Juden ohne alle Abstriche; aber das wisst ihr doch längst.“
Am Ende seiner Worte war Fischer doch gegen seine ursprüngliche Absicht ein bisschen leidenschaftlich geworden. Die anderen schwiegen erst eine Zeitlang. Und dann entstand eine rege Diskussion, die sich weit in den Mittag hineinzog. Einig wurden sie sich nicht, aber sie blieben Freunde. Als sie nach Hause aufbrachen, lag eine erste dünne Schneedecke auf den Straßen. Es war deutscher Advent.

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