Zölle drücken Inflationserwartung – EZB vor erstem Zinsschritt in neuem Lockerungszyklus
Eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) am 17. April gilt inzwischen als ausgemachte Sache. Ausschlaggebend ist nicht zuletzt eine frische Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen, die eine sinkende Inflationserwartung für die Eurozone prognostiziert – 1,9 % für 2026 und 2,0 % für 2027. Beide Werte wurden um jeweils 0,1 Prozentpunkte nach unten revidiert. Die Prognosen basieren auf den wirtschaftlichen Folgen der US-Zollpolitik, insbesondere der von Präsident Trump verhängten 145 % Zölle auf chinesische Exporte sowie 10 % auf europäische Waren, gültig für zunächst 90 Tage.
Das Kalkül: Steigende US-Zölle schwächen die globale Nachfrage, drücken Rohstoffpreise und wirken preisdämpfend auf europäische Importe. Der Euro notierte zuletzt auf einem Drei-Jahres-Hoch, was zusätzlich auf importierte Preise wirkt. Energiepreise sind parallel gefallen – zwei Faktoren, die die Teuerung im Euroraum nachhaltig entlasten.
Innerhalb des EZB-Rats mehren sich daher Stimmen für eine baldige Lockerung. Frankreichs Notenbankchef Villeroy de Galhau und seine Kollegen aus Finnland und Litauen signalisierten Handlungsbereitschaft. Bundesbankpräsident Joachim Nagel bleibt vorsichtig, verweist auf datenbasierte Entscheidungen. Österreichs Robert Holzmann sprach sich ausdrücklich gegen einen Schnellschuss aus – wegen der „hohen Unsicherheit“.
Doch der Druck aus den Märkten wächst. Die Finanzmärkte preisen bereits zwei Zinsschritte ein – im April und im Juni. Der Einlagezins würde damit auf 2,0 % sinken und sich dem neutralen Zins annähern, der laut gängigen Schätzungen zwischen 1,5 % und 2,5 % liegt. Ein weiterer Schritt nach unten würde fiskalische Impulse nötig machen – insbesondere aus Deutschland, wo bislang zurückhaltend investiert wird.
Im Gegensatz zu früheren Zinsphasen spielt diesmal auch die geopolitische Komponente eine Rolle. Zwar hat Trump Strafzölle für viele Länder vorerst ausgesetzt, doch Unsicherheit bleibt. Wie sich künftige Verhandlungen mit den USA entwickeln, dürfte maßgeblich bestimmen, wie weit die EZB ihren Lockerungskurs führen kann.
Ein kurzfristiger Preisimpuls durch Zölle, wie ihn EZB-Präsidentin Christine Lagarde noch im März anmahnte, scheint angesichts der aktuellen Marktbewegungen ausgebremst. Bloomberg Economics erwartet daher eine weitere Senkung um 25 Basispunkte im Juni – und möglicherweise darüber hinaus.