Zelensky's Regierungserneuerung: Frische Impulse inmitten des Konflikts
Präsident Wolodymyr Selenskyj treibt die umfassende Erneuerung der ukrainischen Regierungsführung voran. Am Mittwochabend wurde durch den Vorsitzenden der regierenden Partei eine Liste von neun Kandidaten für hohe Kabinettspositionen bekannt gegeben. Diese Personalmaßnahmen sind Teil einer weitreichenden Umstrukturierung, die die Zustimmung des Parlaments erwartet.
Der amtierende Außenminister Dmytro Kuleba trat am selben Tag zurück und soll durch Andrii Sybiha, den bisherigen ersten stellvertretenden Außenminister, ersetzt werden. Dies geschieht in einer kritischen Phase, die durch intensive russische Raketenangriffe und militärische Fortschritte gekennzeichnet ist. Vor einer wichtigen Reise in die USA möchte Selenskyj seinen „Siegplan“ für den Krieg vorstellen.
Laut Selenskyj zielt die Maßnahme darauf ab, „neue Energie“ in die staatlichen Institutionen zu bringen. Erst wenige Stunden zuvor waren Rettungsarbeiter im altehrwürdigen Stadtzentrum von Lwiw im Einsatz, wo bei einem nächtlichen Raketenangriff sieben Menschen ums Leben kamen. Ein besonders erschütternder Moment ereignete sich, als Jaroslaw Bazylewytsch, bedeckt von Staub und Blut, vor Ort versorgt wurde, während die Leichen seiner Frau und drei Töchter geborgen wurden.
Parallel dazu wurden über ein halbes Dutzend hochrangige Beamte gebeten, ihre Rücktritte einzureichen, wobei einige in anderen Funktionen innerhalb der Regierung verbleiben sollen. Alexander Kamyschin, bisher Minister für die Produktion von Rüstungsgütern, wird voraussichtlich ins Präsidialamt wechseln, um dort weiterhin Waffen- und Infrastrukturfragen zu betreuen. Olga Stefanishyna, vormals stellvertretende Ministerpräsidentin für europäische Integration, ist als neue Justizministerin vorgesehen, was als klares Signal im Kampf gegen Korruption gewertet wird.
Laut Experten zeichnet sich durch die Umbesetzung kein grundlegender Wandel in der Innen- oder Außenpolitik ab. Mychajlo Minakow vom Wilson Center betont, dass Selenskyj jetzt handle, weil sich die Ukraine auf eine neue Kriegs- und Diplomatiephase vorbereiten müsse. Der Präsident selbst erklärte lediglich, dass in bestimmten Bereichen der nationalen und internationalen Politik eine veränderte Schwerpunktsetzung zu erwarten sei.
Zelenskyj unterstrich zudem die Notwendigkeit verstärkter Zusammenarbeit zwischen Zentralbehörden und Gemeinden, insbesondere angesichts des bevorstehenden Winters und der fortgesetzten russischen Angriffe auf zivile Infrastruktur. Seine höchste Priorität bleibt die Sicherung der amerikanischen Unterstützung für den „Siegplan“, den er US-Präsident Joe Biden sowie den Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald J. Trump bei seiner Reise in die USA vorstellen möchte.
Die Entscheidung zur Ablösung des Außenministers Kuleba, der eine zentrale Rolle in den Beziehungen zur USA gespielt hatte, überraschte viele Analysten. Kritiker warnten vor einer weiteren Machtkonzentration in Selenskyjs Händen. Ewgjen Mahda, ein politischer Analyst, äußerte Bedenken über den zunehmenden Einfluss von Andrij Jermak, dem Leiter des Präsidialamtes.
Auch Ivanna Klympusch-Zynzadse, Vorsitzende eines Parlamentsausschusses, kritisierte die Umstrukturierung als hinderlich für die Kontrollmechanismen der Regierung und bemerkte die monatelangen Vakanzen in führenden Positionen.
Mychajlo Minakow hob hervor, dass viele Abgeordnete erst durch die Medien von der Umbesetzung erfuhren, was die reduzierte Rolle des Parlaments seit Ausbruch des Krieges verdeutlicht. Dennoch sieht der politische Analyst Wolodymyr Fessenko in Selenskyjs Vorgehen eine Methode, stagnierende Prozesse durch neuen Elan zu beleben.