Wirecard-Aufsichtsrat zögerte bei Marsalek-Entlassung
Wenige Monate vor dem Zusammenbruch von Wirecard kämpfte der Aufsichtsrat des DAX-Konzerns mit der Entscheidung, Vorstand Jan Marsalek zu entlassen, wie der ehemalige Vize-Vorsitzende Stefan Klestil im Prozess gegen ehemalige Wirecard-Verantwortliche in München aussagte. Trotz wiederholter Beratungen und Prüfungen fand der Aufsichtsrat die Beweislage zu schwach. Klestil beschrieb die damalige Haltung mit der Metapher, für einen solch gravierenden Schritt gegen einen Vorstand eines renommierten Unternehmens bedürfe es solider Beweise.
Die Befürchtung einer möglichen Niederlage in einem arbeitsrechtlichen Streit mit Marsalek spielte ebenso eine wesentliche Rolle bei dem Zögern des Gremiums. Seit dem Bankrott im Sommer 2020 ist Marsalek untergetaucht. Das Gerichtsverfahren konzentriert sich aktuell auf die Hauptangeklagten Markus Braun, Oliver Bellenhaus und den ehemaligen Chefbuchhalter, die des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs bezichtigt werden.
Klestil äußerte sich differenziert über den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Braun, dem er einerseits ein tiefes Vertrauen von institutionellen Investoren attestiert, andererseits schwächere Kontrollmechanismen im Aufsichtsrat einräumt, hervorgerufen durch späte Informationen und kurzfristige Entscheidungsfindungen des Vorstands. Als Begründung führte Klestil das rapide Wachstum des Unternehmens an, welches eine forcierte Anpassung der Unternehmensführung erfordert habe. (eulerpool-AFX)