Südkorea: Schicksalsstunden für Präsident Yoon Suk Yeol
Die politische Zukunft von Präsident Yoon Suk Yeol liegt in den Händen des südkoreanischen Verfassungsgerichts, nachdem das Parlament ihn aufgrund eines kürzlich erlassenen, aber umstrittenen Kriegsrechtsbefehl abgesägt hat. Obwohl Yoons präsidiale Befugnisse suspendiert sind, bleibt er im Amt und genießt weiterhin Immunität gegen die meisten Anklagen, bis auf Aufstand oder Hochverrat. Der von Yoon ernannte Premierminister Han Duck-soo übernimmt interimsmäßig das Präsidentenamt.
Das Verfassungsgericht hat 180 Tage Zeit, über Yoons Schicksal zu entscheiden: Entweder bestätigen sie seine Amtsenthebung und entfernen ihn aus dem Amt oder lehnen sie ab und stellen seine Befugnisse wieder her. Kommt es zur Amtsenthebung oder einem Rücktritt Yoons, muss innerhalb von 60 Tagen eine Präsidentschaftswahl stattfinden. Die ersten Anhörungen könnten beginnen, sobald das Gericht die Anklageschrift des Parlaments erhält.
Ein bedeutendes Hindernis auf dem Weg zu einem Gerichtsurteil bildet die derzeitige Zusammensetzung des Verfassungsgerichts mit nur sechs der erforderlichen neun Richter, um eine Amtsenthebung zu bestätigen. Die Besetzung der drei vakanten Stellen obliegt dem Parlament, doch bisher konnten sich die Regierungs- und Oppositionsparteien nicht auf Kandidaten einigen. Die Oppositionspartei, die über eine Mehrheit im Parlament verfügt, plant, die Justizposten bis Jahresende zu besetzen.
Angesichts eines bevorstehenden Justizrichterwechsels im April erwarten Rechtsexperten eine zügige Entscheidung des Gerichts, um Ungewissheit zu vermeiden. Unabhängig von Parteiinteressen haben die Richter in der Vergangenheit stets nach ihrem eigenen Verständnis der Verfassung entschieden. Auch die konservative Unterstützung für Yoon, die an die Situation bei der Amtsenthebung von Park Geun-hye erinnert, wird voraussichtlich keinen Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts haben.
Präsident Yoon sieht sich zudem strafrechtlichen Ermittlungen bezüglich seines Kriegsrechtsbeschlusses ausgesetzt. Sollte Anklage erhoben werden, könnte er die Aufschiebung der 180-Tage-Frist in Erwägung ziehen, was jedoch in einem ähnlichen Fall bei Park Geun-hye abgewiesen wurde.
Die Geschichte wiederholt sich, denn im Jahr 2004 wurde der damalige Präsident Roh Moo-hyun wegen politischer Neutralitätsverletzung angeklagt und letztlich entlastet, um seine fünfjährige Amtszeit zu beenden.