Risse im Stahl: Thyssenkrupp kämpft mit Herausforderungen und Chancen
Thyssenkrupp, einst Ikone der deutschen Industriekraft, steht erneut vor einer wirtschaftlichen Zäsur. Der traditionsreiche Stahlriese hat kürzlich eine Abschreibung von einer Milliarde Euro auf sein Stahlgeschäft verkündet, als Reaktion auf die strukturell geringere Nachfrage aus der europäischen Industrie. Diese Entwicklung ist Teil eines breiteren Trends, da das Unternehmen mit den immensen Kosten der Dekarbonisierung ringt.
Das Essener Unternehmen meldete für das vergangene Geschäftsjahr einen Nettoverlust von 1,4 Milliarden Euro. Diese enttäuschende Zahl ist zwar eine Verbesserung gegenüber den 2 Milliarden Euro Verlust im Vorjahr, spiegelt aber immer noch die großen Herausforderungen wider. Besagte Verluste resultierten vor allem aus der jüngsten Wertberichtigung. Der Umsatz sank um 7 Prozent auf 35 Milliarden Euro.
Ein erfrischender Lichtblick für die Aktionäre: Trotz der Turbulenzen entschied sich Thyssenkrupp, die Dividende stabil bei 0,15 Euro pro Aktie zu halten. Diese Entscheidung ließ den Aktienkurs um 2 Prozent steigen, selbst nachdem er im vergangenen Jahr stark eingebrochen war.
In einem Klima des Umbaus und der Fokussierung auf den Verkauf von Unternehmensteilen, einschließlich des Stahls und der Marinesparte Thyssenkrupp Marine Systems, hat sich der Fokus verlagert. Trotz abgesprungener Interessenten wie der US-Investorengruppe Carlyle, die erst im letzten Monat ihre Angebote zurückzog, plant das Unternehmen nun einen Börsengang für die Marinesparte. Gerüchte um potenzielle Übernahmeinteressenten, darunter die familiengeführte Lürssen-Gruppe, verstärken die Spannung.
Die Zukunft der Stahlabteilung wird derzeit mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský diskutiert. Er hat in diesem Jahr 20 Prozent des Stahlgeschäfts erworben und zeigt Interesse, seinen Anteil auf 50 Prozent zu erhöhen. Doch interne Streitigkeiten über die Kosten des Umstiegs auf 'grünen Stahl' sorgen für Komplikationen. Hierbei handelt es sich um eine Produktion, die Wasserstoff und Elektrizität anstelle von Gas einsetzt.
Im August führten Differenzen über den Umgang mit dieser grünen Wende zum Rücktritt mehrerer Top-Manager, darunter Stahlchef Bernhard Osburg und Aufsichtsratsvorsitzender Sigmar Gabriel. Die Folgen dieser Turbulenzen beunruhigen auch die deutsche Politik. Dennoch haben Berlin und regionale Behörden ihre Unterstützung zugesagt und 2 Milliarden Euro zur Förderung der Dekarbonisierungsbemühungen versprochen.
Mit Optimismus in die Zukunft blickend, prognostiziert Thyssenkrupp eine Rückkehr in die Gewinnzone im nächsten Jahr. Das Unternehmen erwartet einen Nettogewinn zwischen 100 Millionen und 500 Millionen Euro und betont, dass die negativen Markteffekte des vergangenen Jahres durch ein umfassendes Sparprogramm abgefedert wurden, welches fortgeführt werden soll.