Preisschock im Discounter: Warum Billigmarken die Inflation anheizen
Wer bei Eigenmarken auf das vermeintlich günstige Schnäppchen hofft, könnte enttäuscht werden. Produkte, die einst die preisbewusste Wahl waren, treiben die Inflation heute stärker an als viele Markenartikel.
Aktuelle Zahlen zeigen: Billigmarken boomen, doch ihre Preise steigen deutlich schneller – und teilweise auf einem Niveau, das sie kaum noch von Markenprodukten unterscheidet.
„Cheapflation“: Wenn billig teuer wird
Das Phänomen hat sogar einen Namen: „Cheapflation“. Forscher der Harvard-Universität beschreiben damit den paradoxen Effekt, dass ausgerechnet vermeintlich günstige Alternativen wie Handelsmarken die Inflation befeuern. Besonders betroffen sind Länder wie Deutschland, wo Discounter traditionell einen großen Marktanteil haben.
So zeigt eine Auswertung des Preisvergleichsportals Smhaggle folgendes: Der Preis für einen Liter Orangensaft einer Handelsmarke stieg seit Anfang 2022 um unglaubliche 169 Prozent, während das Markenprodukt Hohes C im gleichen Zeitraum lediglich um 62 Prozent teurer wurde.
Ähnlich verhält es sich bei Kaffee und Schokolade: Handelsmarken haben hier mit Preisanstiegen von bis zu 44 Prozent Markenprodukte wie Dallmayr oder Milka längst überholt.
Warum steigen die Preise von Eigenmarken so stark?
Hinter dieser Entwicklung stehen mehrere Faktoren. Zum einen haben die niedrigen Preise von Handelsmarken vor der Pandemie und dem Ukrainekrieg einen Markt geschaffen, der nun durch höhere Produktionskosten stark unter Druck gerät.
Laut Experten waren die Margen dieser Produkte ohnehin gering – und lassen sich in Krisenzeiten nur durch drastische Preisanpassungen halten.
Zum anderen steigen die Rohstoffkosten, die auch die Billigprodukte betreffen. Da Eigenmarken oft mit kleineren Gewinnspannen kalkulieren, müssen sie diese Kosten schneller und in höherem Umfang an die Verbraucher weitergeben als große Markenhersteller, die Preisschocks besser abfedern können.
„Wir sehen hier eine Verschiebung des klassischen Preisgefüges“, erklärt ein Marktanalyst von NielsenIQ. „Was früher günstig war, ist heute häufig nur noch eine marginale Ersparnis.“
Eigenmarken: Vom Schnäppchen zur Belastung
Trotz der Preissteigerungen bleibt der Absatz von Handelsmarken stabil. Laut NielsenIQ legten die Verkaufszahlen von Eigenmarken zwischen Januar und August 2024 um 2,1 Prozent zu, während Markenprodukte lediglich um 0,6 Prozent wuchsen.
Verbraucher bleiben also weiterhin preissensibel und greifen zu Handelsmarken – auch wenn die Ersparnis längst nicht mehr so groß ist wie früher.
Doch genau hier könnte eine Wende bevorstehen. Erste Studien zeigen, dass Konsumenten zunehmend enttäuscht sind, wenn die vermeintlich günstigen Alternativen nur noch minimal günstiger sind oder in Qualität und Geschmack nicht überzeugen. Markenhersteller könnten davon profitieren, indem sie stärker auf Premium-Qualität und Konsistenz setzen.
Markenartikler im Billigsegment: Ein schwieriger Spagat
Interessanterweise haben auch große Markenhersteller den Boom der Eigenmarken erkannt und versuchen, davon zu profitieren. Sie produzieren zunehmend für Handelsmarken, was zusätzliche Einnahmequellen schafft.
Doch dieser Schritt ist nicht ohne Risiko: Wer sich zu stark auf das Billigsegment konzentriert, könnte seine Markenidentität verwässern.
Ein Manager eines führenden Lebensmittelherstellers, der anonym bleiben möchte, erklärt: „Der Einstieg ins Handelsmarkengeschäft ist für viele eine Überlebensstrategie. Aber man riskiert, die eigenen Premiumprodukte zu kannibalisieren.“