Österreich am Scheideweg: FPÖ vor historischer Regierungsübernahme
In einer dramatischen politischen Wende könnte die rechte FPÖ erstmals das Kanzleramt in Österreich übernehmen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen übertrug Parteichef Herbert Kickl trotz persönlicher Vorbehalte offiziell den Auftrag zur Regierungsbildung. Die FPÖ wird nun formelle Gespräche mit der konservativen ÖVP aufnehmen, um eine mögliche Koalition zu schmieden. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die FPÖ eine deutlich Moskau-freundliche Haltung vertritt und der EU skeptisch gegenübersteht. In der Migrationspolitik wird vor allem Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban als Inspirationsquelle für Kickl genannt.
Van der Bellen betonte die Notwendigkeit einer stabilen Regierung angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes. Kickl zeigte sich zuversichtlich, den Kanzlerposten übernehmen zu können. Trotz der Proteste vor der Präsidialkanzlei, bei denen Demonstranten vor einem drohenden Rechtsruck warnten, hält der Bundespräsident am Votum der Wähler fest. Die Geschichte zeigt, dass die FPÖ und ÖVP bereits in der Vergangenheit Koalitionen bildeten, jedoch immer unter einer führenden ÖVP.
Der Rücktritt von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer als Parteichef führte zu einem Strategiewechsel: Unter dem neuen Vorsitz von Christian Stocker signalisierte die Partei ihre Bereitschaft, als Juniorpartner der FPÖ in die Regierung einzutreten. Thematisch scheinen die Parteien bei Migration und Steuern auf einer Linie zu liegen, obwohl es in der Außen- und Sicherheitspolitik Differenzen gibt. Insbesondere steht die FPÖ dem europäischen Luftverteidigungssystem "Sky Shield" sowie den EU-Sanktionen gegen Russland kritisch gegenüber, während die ÖVP eine pro-ukrainische Haltung einnimmt.
Ein entscheidendes Thema in den Gesprächen wird die Lösung der tiefgreifenden Budgetkrise sein. Der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, bezweifelt, dass die FPÖ bereit für unpopuläre Sparmaßnahmen ist. Angesichts der strikten EU-Budgetregeln steht Österreich unter Druck, sein Defizit zu kontrollieren und ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden.
Van der Bellen stellte klar, dass er die demokratischen Grundwerte schützen werde. Zuletzt waren Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und den Neos sowie zwischen ÖVP und SPÖ gescheitert, was den Weg für die aktuelle Entwicklung ebnete. Sollte die FPÖ ihre Pläne durchsetzen, könnte eine Neuwahl erneut zu einem soliden Stimmenzuwachs führen, während die ÖVP als Juniorpartner an Einfluss verlieren könnte. Ein Comeback von Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz scheint langfristig nicht ausgeschlossen.