Nike am Scheideweg: Kann der neue CEO den Swoosh zurückbringen
Nike kämpft gegen sinkenden Coolness-Faktor und härtere Konkurrenz – CEO Elliott Hill steht vor seiner ersten Bewährungsprobe.
Es ist Donnerstag, und Nike-CEO Elliott Hill betritt zum ersten Mal die Arena: die Earnings Call Bühne. Doch das ist nicht irgendein Call – es ist eine Zerreißprobe. Nach einem Jahr, in dem Nike-Aktien um satte 29 % gefallen sind, erwartet die Wall Street keine Wunder, sondern einen Plan. Einen Plan, wie Hill das legendäre Sportimperium wieder auf Kurs bringen will.
Vom Verkaufsintern zum CEO: Ein Mann und seine Mission
Hill ist kein Fremder bei Nike. Vom Sales-Praktikanten 1988 bis zum Präsidenten des Consumer- und Marketplace-Bereichs hat er sich hochgearbeitet. Als Hill im September 2023 aus dem Ruhestand zurückkehrte, stießen Nike-Mitarbeiter zur Begrüßung auf ihn an. Ein Hoffnungsträger, verbunden mit der DNA des Unternehmens – und eng vertraut mit Gründerlegende Phil Knight sowie Basketball-Ikone Michael Jordan.
Doch die Erwartungen an Hill sind gigantisch, denn die Herausforderungen sind es ebenso.
Die Baustellen: Coole Sneaker, alte Probleme
Nike hat ein Problem mit seinem ehemals größten Trumpf – dem Coolness-Faktor. Klassiker wie die Air Jordans oder Air Force 1s sind nicht mehr die Kassenschlager, die sie einmal waren. Teenager, die einst Schlange standen, kaufen jetzt lieber New Balance, Hoka oder sogar Birkenstock. Laut einer aktuellen Piper-Sandler-Umfrage hat Nike in der Gunst der Jugend stark eingebüßt.
Hill muss diese Lücke schließen – und zwar schnell. Seine ersten Ansätze? Nike hat begonnen, sich von klassischen TV-Werbekampagnen zu verabschieden und setzt stattdessen auf gezielte Online-Werbung, die Käufer direkt in den Online-Shop lenken soll. Doch reicht das aus?
Kampfansage an die Konkurrenz
Während Nike seinen Ruf als Marktführer verteidigen muss, machen Konkurrenten wie On Running und Hoka ernst. Beide Marken gewinnen schnell Marktanteile, indem sie Nischenmärkte bedienen: On begeistert mit Hightech-Sportschuhen, Hoka mit maximaler Bequemlichkeit. Diese Marken haben das, was Nike einst ausmachte: Innovation und ein Kultstatus.
Doch Hill zeigt, dass er bereit ist, zurückzuschlagen. Zu seinen ersten Taten gehörte die Reaktivierung wichtiger Partnerschaften. Fußböden von Foot Locker weltweit werden bald wieder mit Nike-Produkten gefüllt, nachdem diese unter dem Vorgänger eingeschränkt wurden. Und das ist nicht alles: Verträge mit der NBA, WNBA und NFL wurden verlängert – ein strategischer Coup, der Nike langfristige Präsenz auf den größten Sportbühnen sichert.
Interne Revolution: Mitarbeiter und Kultur im Fokus
Die Probleme sitzen jedoch tiefer als schrumpfende Umsätze. Unter Hill wird ein massiver interner Umbau vorangetrieben. Die Ernennung neuer Führungskräfte für Sportmarketing, Diversity und Personalwesen signalisiert, dass Hill einen frischen Wind durch die Zentrale in Beaverton wehen lassen will.
„Wir werden unser Team in den Mittelpunkt stellen, während wir daran arbeiten, eine Gewinnerkultur zu schaffen“, schrieb Hill kürzlich in einem internen Memo.
Dieser Fokus ist dringend notwendig. Nach massiven Entlassungen im letzten Jahr herrscht eine angespannte Stimmung im Unternehmen. Hill muss nicht nur die Marke Nike neu erfinden, sondern auch die Motivation seiner Mitarbeiter zurückbringen.
Das Metaverse-Debakel: Lektionen aus der Vergangenheit
In einer überraschenden Entscheidung schloss Hill Nikes virtuelles Sneaker-Start-up RTFKT, das 2021 während des Metaverse-Hypes übernommen wurde. Ein teures Experiment, das nicht die erhofften Ergebnisse lieferte. Diese Entscheidung zeigt, dass Hill bereit ist, schmerzhafte Schnitte zu machen, um den Fokus wieder auf das Kerngeschäft zu legen.
Das Urteil: Hill unter Druck
Mit sinkenden Umsätzen, einer angeschlagenen Unternehmenskultur und härterer Konkurrenz steht Hill vor einer Herkulesaufgabe. Doch wenn jemand die Marke Nike versteht, dann er. Seine Herausforderung? Die richtige Balance zwischen Nostalgie und Innovation zu finden – und dem Swoosh wieder den Kultstatus zu verleihen, den er verdient.
Die Frage bleibt: Kann der Mann, der mit Nike groß geworden ist, auch die Rettung bringen?