Koalitionspoker: SPD-Mitglieder stimmen über Regierungsvertrag ab
Ein wegweisender Moment steht bevor: Etwa 358.000 SPD-Mitglieder sind aufgerufen, in einem digitalen Verfahren über den kürzlich ausgehandelten Koalitionsvertrag mit der Union abzustimmen. Die Abstimmung beginnt auf einer extra dafür eingerichteten Online-Plattform und endet am 29. April um Mitternacht. Nur einen Tag später sollen die Ergebnisse bekannt gegeben werden.
SPD-Chefin Saskia Esken betont in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur die positiven Aspekte des umfangreichen 144-seitigen Vertrags. Sie hebt die Auflockerung der Schuldenbremse für Verteidigungszwecke, Investitionsförderungen und Wirtschaftsstärkungen hervor, sieht den Vertrag aber auch kritisch. Esken äußert Optimismus: „Ich gehe davon aus und hoffe, dass wir eine gute Zustimmung bekommen.“
Mindestens 20 Prozent der Mitgliedschaft müssen sich an der Abstimmung beteiligen, um dem Koalitionsvertrag Gewicht zu verleihen. Die SPD-Mitglieder erhielten per Post ein Passwort, mit dem sie zusammen mit ihrer Mitgliedsnummer ihre Stimme verschlüsselt abgeben können. Wer keinen Internetzugang hat, darf alternativ in örtlichen SPD-Geschäftsstellen abstimmen.
Der Koalitionsvertrag enthält wesentliche Wahlversprechen der SPD, wie den Mindestlohn von 15 Euro und Steuersenkungen für niedrige bis mittlere Einkommen. Allerdings sind die geplanten Verschärfungen in der Migrations- und Sozialpolitik umstritten, was die Jusos auf den Plan ruft, die den Vertrag ablehnen und Nachverhandlungen fordern.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil machte bei einer Veranstaltung in Hannover deutlich, dass keine Nachverhandlungen stattfinden werden. Sollte der Vertrag abgelehnt werden, drohten Neuwahlen oder gar eine Minderheitsregierung. Klingbeil warnte vor der Gefahr einer Stärkung der Kräfte innerhalb der Union, die eine Annäherung an die AfD befürworten.
Die CDU plant, am 28. April auf einem kleinen Parteitag über den Vertrag zu entscheiden – die CSU hat dem Vertrag bereits zugestimmt. Die Wahl des neuen Kanzlers Friedrich Merz und die Vereidigung des Kabinetts stehen am 6. Mai im Bundestag auf der Agenda.