Industriekrise zieht den Arbeitsmarkt nach unten
Die deutsche Industrie steht unter Druck. Die Metall- und Elektrobranche meldet massive Stellenkürzungen: Bosch will 3800 Arbeitsplätze streichen, Ford plant den Abbau von 2900 Jobs, und Schaeffler sieht für 7000 Mitarbeitende keine Zukunft mehr.
Selbst Branchenriesen wie Thyssen-Krupp kündigen umfangreiche Einsparungen an. Die Zahlen zeichnen ein düsteres Bild – doch Experten warnen vor voreiligen Untergangsprognosen.
Die Krise in Zahlen
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert sich, das ist unbestritten. Im Oktober stieg die Arbeitslosenzahl auf knapp 2,8 Millionen – ein Plus von einer halben Million gegenüber den Tiefständen nach der Coronakrise.
Besonders alarmierend: Fast eine Million Menschen gelten als Langzeitarbeitslose. Dennoch bleibt die Beschäftigung in vielen Sektoren stabil, und von einem Rückfall in die Massenarbeitslosigkeit wie Anfang der 2000er-Jahre ist Deutschland weit entfernt.
Christian Dustmann, Ökonom und Direktor des neuen Rockwool Foundation Research Centres in Berlin, bringt es auf den Punkt:
„Wir sehen eine Krise der Industrie, nicht des gesamten Arbeitsmarkts.“
Während die Automobil- und Metallbranche schrumpfen, stellen andere Bereiche wie Pflege, Logistik und Dienstleistungen weiterhin ein.
Stillstand in der Politik
Die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt hat auch politische Folgen. Bundeskanzler Olaf Scholz versucht, mit kurzfristigen Hilfspaketen die Industrie zu stabilisieren. Besonders der angekündigte Stellenabbau bei Thyssen-Krupp Steel sorgte für Wirbel: Scholz rief den Betriebsratsvorsitzenden persönlich an, um die Lage zu besprechen. Doch mehr als symbolische Gesten hat die Regierung bislang nicht geliefert.
Die FDP nutzt die Lage, um auf ihre Forderung nach einer wirtschaftspolitischen Kehrtwende hinzuweisen. Fraktionschef Christian Dürr warnt: „Stillstand in der Wirtschaftspolitik bedeutet, dass alle zwei Minuten ein Arbeiter seinen Job verliert.“
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck räumt ein, dass jahrelange Versäumnisse bei der Innovationspolitik den Standort Deutschland geschwächt haben: „Wir haben oft zu spät gehandelt.“
Kurzarbeit als Rettungsanker
Viele Unternehmen versuchen, den akuten Auftragsmangel durch Kurzarbeit zu überbrücken. Laut einer aktuellen Ifo-Umfrage nutzen 17,8 % der Industrieunternehmen dieses Instrument – ein Anstieg gegenüber den Sommermonaten, aber weit entfernt von den Spitzenwerten während der Corona-Pandemie.
Trotzdem bleiben Neueinstellungen Mangelware. Das Ifo-Beschäftigungsbarometer, das monatlich die Einstellungsbereitschaft von Unternehmen misst, fiel im November erneut auf einen Tiefstand von 93,4 Punkten.
„Immer mehr Unternehmen diskutieren über Stellenabbau statt über Wachstum“, erklärt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel
Langfristig wird der demografische Wandel den Arbeitsmarkt prägen. Laut Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) droht bis 2035 eine Lücke von sieben Millionen Fachkräften.
Ohne gezielte Zuwanderung und Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird der Druck auf Unternehmen weiter zunehmen.
Enzo Weber, Arbeitsmarktexperte des IAB, mahnt: „Ab 2026 werden mehr Menschen in Rente gehen, als junge Arbeitskräfte nachrücken.“
Diese Entwicklung könnte den Anstieg der Arbeitslosenzahlen jedoch auch bremsen, da die Arbeitsnachfrage in vielen Bereichen konstant bleibt.
Was jetzt getan werden muss
Kurzfristig fordern Experten vor allem eine klare Konjunkturpolitik. „Planungssicherheit ist das A und O“, erklärt Wohlrabe. „Unternehmen investieren nur, wenn sie wissen, dass sich die wirtschaftliche Lage stabilisiert.“
Mittelfristig müsse die Politik Anreize für Zukunftstechnologien schaffen – von der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge bis hin zur Digitalisierung der Industrie.