Harvards Finanzkonflikt mit Washington trifft Bostons Innovationswirtschaft ins Mark
Die Entscheidung der Trump-Regierung, Harvard Universitätsmittel in Milliardenhöhe zu kappen und die Steuerbefreiung zu hinterfragen, entfaltet bereits spürbare wirtschaftliche Folgen weit über den Campus hinaus. Mit rund 20.000 Beschäftigten ist die Eliteuniversität einer der größten Arbeitgeber der Region Boston und eng mit Schlüsselindustrien wie Biotechnologie, Immobilien und Einzelhandel vernetzt.
Die sofortige Aussetzung von 2,26 Mrd. USD an staatlichen Fördergeldern trifft Harvard in einer angespannten Phase. Bereits zuvor hatte die Universität einen Einstellungsstopp verhängt. Nun plant die medizinische Fakultät laut internen Berichten Stellenstreichungen und Projektkürzungen. Forschungsprojekte, etwa in der Neurowissenschaft, stehen vor dem Aus. Die Unsicherheit ist groß, insbesondere bei Wissenschaftlern, die direkt von NIH-Geldern bezahlt werden.
Auch außerhalb des Campus sind die Effekte spürbar. Der Biotechnologiesektor in Cambridge, eng verzahnt mit Harvard und dem benachbarten MIT, leidet seit Monaten unter einem Rückgang von Risikokapital und steigenden Leerständen. Die Vakanzrate bei Laborflächen in der Region liegt laut Cushman & Wakefield bei 30 %. Parallel hat die angespannte Lage den lokalen Immobilienmarkt erreicht: Käufer von Premiumobjekten zögern, Verkäufer verschieben geplante Transaktionen.
Harvards Forschungsarbeit ist ein zentraler Impulsgeber für Start-ups – ein funktionierender Geldfluss in die Grundlagenforschung sichert Innovation. Firmen wie Moderna oder GelMedix basieren direkt auf akademischen Kooperationen mit Harvard. „Ohne staatliche Forschungsförderung wären wir nie gegründet worden“, sagt Max Cotler, COO von GelMedix. Das Unternehmen beschäftigt fünf Mitarbeitende, nutzt Laborfläche bei LabCentral und kauft Material von lokalen Anbietern – ein typisches Biotech-Ökosystem, das nun unter Druck gerät.
Die Harvard Academic Workers Union, die rund 3.200 nicht-professorale Beschäftigte vertritt, warnt vor gravierenden Einschnitten. Viele Forscher fürchten bereits um ihre Gehälter. „Die Stimmung ist düster“, sagt Gewerkschaftsvertreter Gregory Given. Besonders brisant: Zwei Drittel der Start-ups bei LabCentral haben direkte Verbindungen zu Harvard oder MIT – entweder durch Lizenzen, Absolventen oder Forschungspartnerschaften.
Der Standort Boston – lange als Vorzeigeregion für wissensbasierte Industrien gefeiert – droht zum Kollateralschaden politischer Machtspiele zu werden. Ein wirtschaftlicher Dominoeffekt ist nicht ausgeschlossen. „Das ist mehr als nur ein Konflikt zwischen Regierung und Universität“, sagt Maggie O’Toole von LabCentral. „Hier steht ein ganzes Innovationsökosystem auf dem Spiel.“