Geschäftsmodell Diskriminierungsklage: Wenn das Gesetz zur Einnahmequelle wird
Eine 47-jährige Transperson aus Dortmund sorgt derzeit für Schlagzeilen: Mit 239 Prozessen allein im vergangenen Jahr hat sie Schadensersatz in Höhe von 25.000 Euro erstritten. Ihr Geschäftsmodell: Diskriminierungsklagen.
Arbeitgeber, die in Stellenausschreibungen Formulierungen wie „junges Team“ verwenden oder das „d“ für divers vergessen, werden zur Kasse gebeten. Legal, lukrativ – und hoch umstritten.
Bewerben, klagen, kassieren
Was nach einem Einzelfall klingt, ist längst ein eingespieltes System. Die Person, die als Junge geboren wurde und sich heute als Frau identifiziert, hat innerhalb der letzten acht Jahre über 1.500 Bewerbungen geschrieben – alle ohne Erfolg, aber oft mit einem stattlichen Schadensersatz.
Grundlage ihrer Klagen sind Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das vor Diskriminierung schützt. Besonders häufig zielt sie auf fehlende Diversitätsangaben in Jobanzeigen.
Jüngstes Beispiel: Ein Unternehmen aus Gütersloh suchte eine Bürokraft. Die Anzeige sprach von einem „jungen Team“, das „Bürokaufmann/-frau“ suchte. Es fehlte die Kennzeichnung „d“ (divers) sowie die obligatorische Meldung der Stelle bei der Arbeitsagentur.
Die Klage: 7.500 Euro Schadensersatz. Das Urteil: 3.750 Euro. Für die Klägerin ein weiterer Erfolg – und für die Arbeitsgerichte ein weiterer Termin in einem eng getakteten Kalender.
Ein System mit Lücken
Das Arbeitsrecht soll Diskriminierung verhindern, nicht zur Einnahmequelle werden. Doch genau hier liegt die Crux. Schadensersatzforderungen aus Diskriminierungsklagen sind steuerfrei und dürfen nicht auf Sozialleistungen wie das Bürgergeld angerechnet werden.
Die Folge: Die Klägerin hat laut konservativer Schätzungen bislang über 240.000 Euro durch Klagen erhalten – eine sechsstellige Summe, die der Richter in Gütersloh mit einem ironischen „bis morgen“ quittierte.
Das Westfalen-Blatt, das den Fall zuerst öffentlich machte, beschreibt die Klägerin als Stammgast vor Gericht. Und das ist kein Zufall: Das deutsche Arbeitsrecht lässt hier wenig Spielraum für Arbeitgeber, sich zu verteidigen, wenn Anzeigen nicht alle Vorgaben erfüllen.
Arbeitgeber in der Zwickmühle
Unternehmen geraten zunehmend in Bedrängnis. Nicht nur kleine Betriebe, sondern auch größere Firmen werden regelmäßig Ziel solcher Klagen. „Für uns ist das wie ein Lottospiel – wir wissen nie, ob unsere Anzeigen alle rechtlichen Vorgaben erfüllen“, sagt ein Geschäftsführer aus Nordrhein-Westfalen.
Besonders Formulierungen wie „junges Team“ oder „belastbar“ werden schnell als diskriminierend ausgelegt.
Rechtsexperten weisen darauf hin, dass die Gesetze in ihrer aktuellen Form angreifbar sind. „Hier geht es nicht mehr um Schutz vor echter Diskriminierung, sondern um gezielte Ausnutzung rechtlicher Lücken“, erklärt Arbeitsrechtler Dr. Klaus Mertens. „Das untergräbt das Vertrauen in die Sinnhaftigkeit solcher Gesetze.“
Eine Debatte mit Sprengstoff
Der Fall zeigt, wie schmal der Grat zwischen rechtlichem Schutz und Missbrauch ist. Während Diskriminierungsschutz essenziell ist, heizt das Geschäftsmodell der Dortmunder Transperson die Debatte um notwendige Reformen an. Sollten Schadensersatzforderungen begrenzt werden? Oder brauchen Arbeitsgerichte mehr Befugnisse, um Klagen abzuweisen, die offensichtlich nur auf Profit abzielen?
„Es geht um das Gleichgewicht zwischen Gerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“, sagt Sabine Meier, Sprecherin des Deutschen Arbeitgeberverbands. „Momentan haben wir ein System, das in die falsche Richtung kippt.“
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