Freundschaft statt Flirt: Dating-Apps wagen den Strategiewechsel
In der Welt der Dating-Apps herrscht Umbruchstimmung. Zermürbte Singles ziehen sich zu Millionen von den Plattformen zurück, doch die Anbieter haben bereits eine Gegenstrategie entwickelt: Wer keinen Partner sucht, könnte vielleicht einen Freund brauchen. Die Branchengrößen Bumble und Match Group, zu denen Tinder gehört, haben Apps für freundschaftliche Begegnungen geschaffen und gesellen sich damit zu einer Vielzahl kleinerer Plattformen, die diesen Trend bereits aufgegriffen haben.
Bumble For Friends, gestartet im Juli letzten Jahres, zählte im dritten Quartal dieses Jahres rund 730.000 monatlich aktive Nutzer – so berichtet es das Marktforschungsunternehmen Sensor Tower. Zusätzlich hat Bumble die Geneva-App übernommen, welche es Nutzern ermöglicht, Gruppen zu bestimmten Interessen zu bilden. „Dies ist nur der Anfang unserer Vision, das Unternehmen breiter aufzustellen und Menschen allgemein das Knüpfen von Verbindungen zu erleichtern“, erklärte Bumble-CEO Lidiane Jones auf dem Web Summit in Lissabon.
Parallel dazu hat Match Group im Februar die Yuzu-App ins Leben gerufen, um die asiatische Community in den USA für freundschaftliche wie romantische Begegnungen anzusprechen. Zudem testet das Unternehmen eine Freundschaftsoption in Frankreich auf DisonsDemain, der App für ältere Nutzer. Beide Firmen kämpfen jedoch mit den Nachwirkungen des pandemiebedingten Booms, als Millionen aufgrund von Ausgangsbeschränkungen zu Dating-Apps griffen.
Doch es sind nicht nur die Nachwehen der Pandemie, die den Markt erschüttern. Sensor Tower betont ein weit verbreitetes "App-Fatigue"-Phänomen, das insbesondere Dating-Apps betrifft. Tinder, die größte derartige Plattform mit rund 53 Millionen monatlich aktiven Nutzern, verzeichnete einen Rückgang von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der jüngeren Zielgruppe zwischen 18 und 22, die traditionell ein Hauptaugenmerk von Tinder ist, scheint das persönliche Treffen wichtiger zu sein, was die Rückgänge bei den Nutzerzahlen erklärt.
Für die Unternehmen schlagen die Umsatzverluste hart durch. Der Wert der Match Group ist in den letzten drei Jahren um mehr als 40 Milliarden US-Dollar gesunken. Bumble, einst mit über 20 Milliarden US-Dollar bewertet, liegt derzeit nur noch bei etwa 1,3 Milliarden US-Dollar. Das Unternehmen kündigte im Februar die Entlassung eines Drittels seiner Belegschaft an. Ob der Vorstoß in Richtung Freundschaft genügend Erfolg verspricht, bleibt abzuwarten, denn zahlreiche Apps wetteifern bereits um die Gunst zukünftiger bester Freunde.