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Börsencrash in der Türkei

22. März 2025, 22:00 Uhr · Quelle: InvestmentWeek
Börsencrash in der Türkei
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Die türkische Lira stürzte zeitweise auf ein Rekordtief von 41,3 Lira pro US-Dollar – eine direkte Folge politischer Instabilität und wachsender Kapitalflucht.
Die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters hat die Märkte erschüttert, Lira und Aktien rauschen ab. Doch gerade im Chaos wittern einige Anleger eine Einstiegschance. Vier Fonds stechen dabei besonders heraus – was dahintersteckt.

Politische Repression trifft Finanzmärkte

Es war ein politischer Paukenschlag, der an den Finanzmärkten ein Nachbeben auslöste: Die Verhaftung von Ekrem İmamoğlu, Istanbuls Bürgermeister und aussichtsreichster Oppositionskandidat gegen Recep Tayyip Erdogan, hat nicht nur innenpolitisch für Empörung gesorgt.

Die Reaktion der Märkte folgte prompt – und heftig: Die Börse in Istanbul verlor in nur zwei Tagen fast neun Prozent, die Lira stürzte zweistellig ab, Anleger flohen, als sei der Ausnahmezustand schon ausgerufen.

Die Reaktion überrascht nicht: Wenn Demokratien wanken und der Rechtsstaat ausgehöhlt wird, verliert ein Land seine wichtigste Währung – Vertrauen. Und genau das ist es, was Investoren am meisten fürchten.

Politische Unsicherheit als Kurskiller

Wirtschaftlich war die Türkei bereits vor dem jüngsten Vorfall ein fragiles Gebilde: hohe Inflation, ein Zentralbankchef, der auf Erdogans Zuruf agiert, und ein chronisches Leistungsbilanzdefizit.

Doch der Angriff auf die politische Opposition markiert eine neue Eskalationsstufe. Beobachter sprechen von einem „juristischen Staatsstreich“. Und wenn der stärkste Gegner des Präsidenten ohne rechtsstaatlich nachvollziehbare Grundlage aus dem Rennen genommen wird, steht plötzlich alles zur Disposition – auch Verträge, Eigentumsrechte, Investitionssicherheit.

Richard Segal von Ambrosia Capital bringt es auf den Punkt: „Was wir hier sehen, ist keine normale Marktreaktion. Es ist eine Neubewertung des politischen Risikos.“

Kapitalflucht und Zins-Schock

Die Zahlen sind dramatisch: Die türkische Lira hat seit Jahresbeginn über zehn Prozent an Wert verloren, gegenüber dem Dollar fiel sie auf ein Rekordtief von 41,3. Zeitgleich schossen die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen über die Marke von 30 Prozent – ein klares Zeichen, dass die Investoren höhere Risiken nur noch mit extremer Verzinsung kompensiert sehen.

Trotz eines Zinsschocks auf 50 Prozent gelang es der türkischen Notenbank nicht, die Märkte zu beruhigen – Anleger zweifeln zunehmend an der Unabhängigkeit der Geldpolitik.

Das Risiko einer Kapitalflucht ist real – und sie hätte weitreichende Folgen. Steigende Zinsen würden die Finanzierungskosten des Staates explodieren lassen.

Gleichzeitig verteuert eine schwache Lira Importe, was die bereits jetzt bei 39 Prozent liegende Inflation weiter anheizt. J.P. Morgan sieht die Teuerungsrate bis Jahresende nun nicht mehr bei 27, sondern bei 29,5 Prozent.

Und trotzdem: eine Gelegenheit?

Inmitten des Chaos machen große Investmenthäuser das, was sie am besten können: Sie rechnen – und erkennen Chancen. J.P. Morgan etwa empfiehlt, türkische Aktien weiterhin überzugewichten.

Die Argumentation: Die aktuellen Bewertungen seien so niedrig, dass selbst bei anhaltender Unsicherheit ein überdurchschnittliches Aufholpotenzial besteht.

Tatsächlich liegen die Kurse türkischer Aktien aktuell beim 6,5-Fachen der erwarteten Unternehmensgewinne – das ist fast die Hälfte des Durchschnitts der Schwellenländer und rund 13 Prozent unter dem historischen Schnitt für die Türkei. Mit anderen Worten: Wer einsteigt, kauft billig.

David Aserkoff von J.P. Morgan glaubt an eine Rebound-Story: „Wenn sich Inflation und Zinsen wieder normalisieren und die Wirtschaft anzieht, könnten die Märkte regelrecht explodieren.“ Ein großes „wenn“ – aber für mutige Anleger nicht unattraktiv.

Fonds statt Einzeltitel: Vier Vehikel für den Einstieg

Wer sich das politische Risiko leisten will – und das moralische Fragezeichen ignoriert –, sollte auf aktive Fonds setzen. Denn anders als in entwickelten Märkten schlagen in der Türkei aktive Manager die Benchmarks regelmäßig. Das liegt an der Marktstruktur, den Ineffizienzen – und der Notwendigkeit, politisch sensibel zu agieren.

Vier Fonds stechen dabei hervor:

  1. HSBC Turkey Equity Fund
    • Durchschnittliche Jahresrendite (5 Jahre): 33 %
    • Profitiert besonders von kurzfristigen Marktverwerfungen und setzt auf eine Mischung aus exportorientierten Industrieunternehmen und großen Banktiteln.
  2. BNP Paribas Funds Turkey Equity
    • Fokus auf Blue Chips und Unternehmen mit relativ stabiler Kapitalstruktur
    • Der Fondsmanager verfolgt eine antizyklische Strategie – ideal bei starken Rücksetzern wie aktuell.
  3. Erste Stock Istanbul
    • Konzentrierter Fonds mit Fokus auf die größten börsennotierten türkischen Unternehmen
    • Gilt als robuster Performer bei starkem Lira-Verfall.
  4. QNB Finansbank Lira Value Fund (lokaler Anbieter, schwerer zugänglich für Ausländer, aber vielversprechend)
    • Setzt auf Unternehmen mit starker Exportorientierung und geringen Lira-Abhängigkeiten
    • Profitabel im Inflationsumfeld, da viele Firmen in Dollar fakturieren.

Der Preis der Rendite

Natürlich: Wer jetzt in die Türkei investiert, tut dies nicht aus Solidarität mit der Demokratiebewegung. Er spekuliert – gegen den Konsens. Und das ist riskant. Wenn die Lira weiter abstürzt, Erdogan die Opposition mundtot macht und die Justiz vollends zur politischen Waffe wird, könnte selbst die attraktivste Bewertung nichts mehr wert sein.

Doch die Geschichte der Märkte kennt solche Episoden: Brasilien in den 90ern, Russland Anfang der 2000er, Ägypten nach dem Arabischen Frühling – überall dort schlugen einige Investoren genau dann zu, als die Unsicherheit am größten war.

Finanzen / Börse
[InvestmentWeek] · 22.03.2025 · 22:00 Uhr
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