Assads Sturz: Ein Lichtblick für Erdoğan?
Der bemerkenswert schnelle Niedergang der Assad-Dynastie in Syrien öffnet Türkeis Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ungeahnte politische Möglichkeiten. Nachdem Rebellen binnen weniger Tage die Hauptstadt Damaskus eroberten, sieht Erdoğan seine lang ersehnte Chance, politisches Kapital aus dem Sturz Bashar al-Assads zu schlagen – insbesondere im Hinblick auf die wichtigen Wahlen 2028.
Erdoğan steht vor zwei drängenden Herausforderungen, bei deren Bewältigung ein neues, post-Assad-Syrien hilfreich sein könnte. Einerseits hindert ihn die aktuelle türkische Verfassung daran, ein weiteres Mal als Präsident zu kandidieren. Hierbei wäre die Unterstützung der pro-kurdischen Partei im Parlament von unschätzbarem Wert, um eine Verfassungsänderung zu erwirken. Daher hat Erdoğan die Gespräche mit dem inhaftierten Führer der PKK aufgenommen, in der Hoffnung, die Entwicklungen in Syrien könnten seine Pläne vorantreiben.
Die Dynamik zwischen der syrischen kurdischen Volksverteidigungseinheit (YPG) und der Türkei spielt eine wesentliche Rolle in Erdoğans Strategie, seine autokratische Herrschaft zu festigen. So stärkte der Erfolg der YPG in Kobani im Jahr 2014 nicht nur die kurdischen Bestrebungen, sondern führte auch zu einem strategischen Bündnis mit den USA. Die daraus resultierenden Erfolgsmomente der türkischen Kurden und ihr politischer Aufstieg in der Türkei stehen in direkter Konkurrenz zu Erdoğans Zielen.
Mit dem Wegfall Assads sieht Erdoğan nun die Möglichkeit, die kurdischen Einheiten in Nordsyrien entscheidend zu schwächen. Dank türkischer Unterstützung konnten bereits Territorien von der US-gestützten kurdischen Miliz zurückerobert werden. Ohne Assad und die schwächelnde Unterstützung von Iran und Russland hat Erdoğan Verstärkung von ungeahnter Freiheit in der Region.
Zudem bietet der Sturz des syrischen Machthabers Lösungen für Erdoğans zweites großes Problem: die syrischen Flüchtlinge in der Türkei. Der Nationalismus nimmt zu, und Assad war bisher kein verlässlicher Partner für Erdoğans Pläne zur Rückführung der Geflüchteten. Mit Assads Abgang ergibt sich nun die Möglichkeit, dass die Flüchtlinge von selbst in ihre Heimat zurückkehren – auch wenn die Realität möglicherweise anders aussieht als in Erdoğans Versprechungen gegenüber seinen Wählern.
Die Entwicklungen in Syrien bieten Erdoğan eine neue Hoffnung, wie einst 2011, als er die Chancen einer islamistischen Regierung sah und auf eine baldige Beseitigung Assads hoffte. Aber die Geschichte lehrt: Ob dieses Mal alles so glatt verläuft, wie Erdoğan sich das wünscht, bleibt abzuwarten.